Christian S. aus Niederösterreich bei einer Kontroll-Blutabnahme nach einer Stammzellspende im Wiener Allgemeinen Krankenhaus.

Foto: A. Rosenmayr

Wien - Es gibt ein weltweites Spenderregister. Fast 25 Millionen Namen auf der ganzen Welt umfasst es. Offenbar reicht diese Anzahl nicht: Ein neunjähriges Mädchen türkischer Abstammung, das an Leukämie erkrankt ist, braucht seit Monaten einen passenden Stammzellspender, doch bisher war die Suche vergebens.

Insgesamt rund 1000 Menschen - vorrangig türkischer Abstammung - ließen sich nach einem Aufruf von in Österreich wohnenden Verwandten der jungen Patientin im vergangenen Herbst in Wien und Vorarlberg testen. Doch bisher war die Suche für das Mädchen, das in Deutschland am Bodensee lebt, ohne Erfolg.

Bestimmte Gewebetypen

"Das liegt daran, dass die Türkei zwischen Europa und Asien liegt - und viele türkischstämmige Menschen Gewebetypen haben, die von ihrer Zusammensetzung her ebenfalls in der Mitte liegen", erklärt Agathe Rosenmayr. "Daher ist es oft schwierig, für Menschen mit türkischen Wurzeln einen geeigneten Stammzellspender zu finden." Rosenmayr war 22 Jahre lang ärztliche Leiterin der österreichischen Knochenmarkspendezentrale. Sie kümmert sich nun um karitative Projekte für Leukämiepatienten und um die Spenderbetreuung.

Leukämie mittels Stammzellen zu heilen beruht auf der Fähigkeit der Zellen, neues Knochenmark zu bilden. Es können auch gleich bei der Geburt von Kindern Stammzellen aus dem Nabelschnurblut entnommen und eingefroren werden, doch die Praktik ist international vergleichsweise noch wenig verbreitet. Experten kritisieren dabei auch die Kosten.

In Österreich neu organisiert

Die Wiener Stammzellspenderzentrale ist seit 1. Jänner am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) an der Klinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin angesiedelt. Bisher waren dort nur Stammzell-Entnahmen durchgeführt worden, nun soll die gesamte Spenderbetreuung am AKH vonstattengehen.

Das Österreichische Stammzellregister, bisher ein gemeinnütziger Fonds, soll in den nächsten Wochen ins Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) integriert werden. Eine Lösung, um die monatelang gerungen wurde. Zusätzlich sagte die Sektion des Lions-Clubs von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland zu, eine Finanzierungslücke zu schließen, wie Rosenmayr erklärt: Da die Versicherung erst zahle, wenn ein Spender spendet, seien immer die Kosten für die Testung offen. "Leukämie kann jeden treffen, in jedem Alter", sagt Eva-Maria Franke, von der Lions-Sektion, über die Beweggründe des Engagements. Man sammle nicht nur Geld, sondern bitte die Mitglieder auch um Stammzellspenden.

"Vergleichsweise wenige" in der Türkei

In Österreich umfasst das Register derzeit rund 60.000 Namen, in der Türkei sind es rund 40.000 registrierte Spender. "Wenn man bedenkt, dass die Bevölkerung des Landes 75 Millionen Menschen umfasst, sind das vergleichsweise wenige", sagt Gottfried Fischer, ärztlicher Leiter des österreichischen Stammzellregisters. Er gibt zu bedenken, dass die Zahl der registrierten Spender noch nicht der Anzahl entspricht, die dann wirklich spendet.

Christian S. aus St. Leonhard in Niederösterreich ist ein Positivbeispiel: Der 30-Jährige ließ sich Anfang 2014 wegen der Leukämieerkrankung einer Bekannten testen, seine Stammzellen kamen aber nicht infrage. Um Weihnachten wurde er kontaktiert, da er womöglich jemand anderem helfen könnte. S. wurde erneut getestet und spendete.

Im Jahr 2013 waren 311 Leukämiepatienten in Österreich auf eine Knochenmark- oder Blutstammzellen-Spende angewiesen. Die Wahrscheinlichkeit der Kompatibilität liegt unter Geschwistern noch bei etwa einem Viertel, bei nicht verwandten Personen im Schnitt bei 1:500.000. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 3.1.2015)