Am meisten freut sich Orthacker, wenn sie "etwas entdeckt, das so nicht sein sollte".


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Durch ihr Studium an der Technischen Universität Graz ist die 27-jährige Angelina Orthacker buchstäblich getanzt: "Wenn ich vor einer Prüfung an der Uni nervös war, habe ich immer einen leeren Gang gesucht und zu Tanzen angefangen." Mittlerweile steht sie in der Halbzeit ihrer Dissertation am Zentrum für Elektronenmikroskopie (ZFE) in Graz.

Darin versucht Orthacker, zwei elektronenmikroskopische Techniken zusammenzuführen: sogenannte chemisch sensitive Verfahren wie Elektronen-Energie-Verlust-Spektroskopie oder Röntgenspektroskopie und Tomografie. Mit der Tomografie lässt sich die dreidimensionale Struktur bestimmen und geometrisch darstellen. Um aber genau sagen zu können, wie viel von welchen Elementen in einem Material enthalten sind, braucht es die chemisch sensitiven Verfahren.

Wenn Orthacker und ihre Kollegen am ZFE eine Möglichkeit finden, beide Verfahren zu kombinieren, würde das die Materialphysik um eine wichtige Methode erweitern. Dazu müssen sie zunächst herausfinden, was bei den verschiedenen Verfahren mit dem Material passiert. Auch quantenphysikalische Prozesse müssen dabei berücksichtigt werden.

Weiters müssen sie eine computertechnische Möglichkeit finden, die Signale der verschiedenen Analyseverfahren zu verknüpfen. "Um so etwas zu machen, gibt es keine fertige Software", sagt sie, "man programmiert einfach".

Ein erstes Etappenziel ist bereits erreicht: Mittlerweile kann man dreidimensionale Rekonstruktionen von chemischen Signalen machen. Wie schwierig es noch werden wird, analytische elektronenmikroskopische Methoden und elektronenmikroskopische Tomografie noch mehr zu verbinden "ist völlig offen", sagt Orthacker. Und das sei vielleicht kein Nachteil: "Oft ist es gut, wenn man nicht weiß, wie schwierig der Weg noch wird."

Derzeit handelt es sich bei den Proben, die sie analysiert, um Aluminiumlegierungen, in denen sich Ausscheidungen bilden, die das Material sehr stabil machen. Das macht es für die Flugzeugindustrie besonders attraktiv.

Durch die neue Methode erhofft sich Orthacker, die kürzlich von der Austrian Cooperative Research als Fachexpertin präsentiert wurde, ein noch genaueres Verständnis darüber, wie der Herstellungsprozess die Struktur der Materialien beeinflusst. Langfristig soll die neue Analysemethode für ganz verschiedene Materialien anwendbar sein.

Was sie in der Entscheidung für ihre Dissertation bestärkt hat, war einerseits, dass sie sich schon während ihrer Diplomarbeit am ZFE sehr wohlgefühlt hat. Andererseits war "von Anfang an klar, dass es keine Arbeit ist, wo man stur dahinmisst, sondern Pionierarbeit". Denn nichts hält die gebürtige Steirerin weniger aus, "als wenn ich tausendmal das Gleiche tun muss". Am meisten Freude hat sie dann, "wenn ich etwas entdecke, das so nicht sein sollte".

Um weitere Methoden der Elektronenmikroskopie kennenzulernen, die sich auf die Tomografie anwenden lassen, verbringt Orthacker derzeit einen zweimonatigen Forschungsaufenthalt in Melbourne. Einziger Wermutstropfen dabei: "Zu Weihnachten bin ich sonst jeden freien Tag auf der Skipiste." So verbringt sie die Feiertage eben mit Wanderungen an der australischen Südküste. (Tanja Traxler, DER STANDARD, 31.12.2014)