Die Wiener Hofburg um das Jahr 1531...

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... und im Jahr 1705, wo sie bereits die heutigen Ausmaße hatte.

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Herbert Karner (Hg.): "Die Wiener Hofburg 1521-1705. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz", Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 625 Seiten, 89,90 Euro, ISBN: 978-3-7001-7657-2

Cover: Verlag der ÖAW

Wien - Als sich im frühen 16. Jahrhundert Wien allmählich als Residenzstadt der Habsburger zu etablieren begann, musste auch an die entsprechende Repräsentation gedacht werden. Damit wuchs mit der Macht der österreichischen Habsburger-Linie auch die Hofburg, die im Laufe von 200 Jahren "immensen Veränderungen" unterworfen war. Eine neue Publikation untersucht nun Bau- und Funktionsgeschichte der Kaiserresidenz.

Von der mittelalterlichen Kastellburg...

"Als Ferdinand I. 1521 die Herrschaft antrat und nach Wien kam, war die Hofburg eine mittelalterliche Kastellburg mit vier Türmen direkt an den Befestigungsanlagen" erklärte Herbert Karner, Herausgeber von "Die Wiener Hofburg 1521-1705. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz". Statt der riesigen Hofburg-Anlage wie man sie heute kennt, stand 1521 also nur ein kleiner Vierkanter, der etwa dem heutigen Schweizerhof entsprach.

Das Werk ist der zweite Teil einer fünfbändigen Reihe zum Gebäudekomplex und beschäftigt sich mit jener Zeit, in der die Hofburg zur kaiserlichen Residenz des Heiligen Römischen Reiches und damit zu einem der führenden europäischen Machtzentren wurde. Denn Ende des 17. Jahrhunderts hatte die Hofburg schon die heutigen Ausmaße: Der Leopoldinische Trakt, in dem heute der Bundespräsident residiert, war errichtet, auch die Amalienburg, die Stallburg und der Kanzleitrakt standen schon. Die genauen Bauschritte lassen sich auch mithilfe der 3D-Rekonstruktionen des Instituts für örtliche Raumplanung an der Technischen Universität Wien, die in dem Band abgedruckt sind, nachverfolgen.

Warum der Bau von allen Herrschern durchaus fokussiert vorangetrieben wurde, erklärte Kunsthistoriker Karner vor allem mit der Notwendigkeit. Denn noch bis ins 17. Jahrhundert fehlte es den Habsburgern nicht nur an adäquaten Repräsentationsmöglichkeiten, sondern auch schlicht am Platz, um standesgemäß zu feiern. So wurde erst 1629 für die Hochzeit von Ferdinand III. mit der Errichtung eines Tanzsaals, später Redoutensaal-Trakt, begonnen. Auch der Verwaltung fehlte es lange an passenden Räumlichkeiten.

... zum standesgemäßen Repräsentationsbau

Gerade zu Beginn des 16. Jahrhunderts konkurrierte Wien auch noch mit Prag als Kaiserstadt - erst Ferdinand II. entschied sich aufgrund der besseren Befestigungen und der strategisch günstigeren Lage Anfang des 17. Jahrhunderts endgültig für Wien. Die Wirkung nach außen stand auch bei den meisten architektonischen Überlegungen im Vordergrund: So plante man etwa, die beiden Repräsentationsgüter Pferde und Bücher zusammen unterzubringen: Im Erdgeschoß sollten die Stallungen entstehen, darüber sollte eine Bibliothek einziehen.

Dabei wäre es den Habsburgern "nie eingefallen, einen völligen Neubau zu planen", schilderte Karner. Man sei sich der Altehrwürdigkeit der Bausubstanz durchaus bewusst gewesen und habe diese auch genutzt, um die lange Tradition der eigenen Dynastie zu vermitteln. Genutzt wurde die Hofburg - hauptsächlich aufgrund der besseren Heizmöglichkeiten - vor allem im Winter. Im Frühjahr tingelte der Hofstaat nach Laxenburg, den Sommer verbrachte man in der Favorita auf der Wieden (heute Theresianum), im Herbst fuhr man zur Jagd nach Kaiserebersdorf.

Zeitgenössische Mainstream-Ausstattung

Immer wieder mischten sich die Kaiser selber in die Gestaltung der Hofburg ein - so entschied sich etwa Ferdinand III. für eine aufwendige Sanierung und gegen einen Neubau der mit statischen Problemen kämpfenden kaiserlichen Gemäldegalerie in der Stallburg. Einflüsse kamen auch aus den Nachbarländern - vor allem durch Eheschließungen. Die italienischen Herrschergattinnen brachten etwa in ihrem umfangreichen Gefolge das Know-how für Tanz- und Theatersäle nach Wien. Über die Ausstattung der Hofburg ist hingegen wenig bekannt: "Wir gehen davon aus, dass es sich durchaus um zeitgenössischen Mainstream handelte", so Karner. Mainstream bedeutet in diesem Fall etwa schwere Holzkassettendecken oder Tapisserien, die sich je nach Anlass auswechseln ließen.

Als problematisch erwies sich hingegen immer wieder die Finanzierung der Bau- und parallel dazu der stetigen Sanierungsarbeiten. Um den Leopoldinischen Trakt zu finanzieren, ließ man etwa die jüdische Bevölkerung Prags für die Erneuerung ihrer Rechte bezahlen, dennoch kam es immer wieder zu Engpässen und sogar zu Baustillständen.

Mit dem Tod Leopolds I. 1705 - der als Endpunkt für diesen Band gewählt wurde - hatte das Habsburgerreich mit Ungarn bereits eine Ausdehnung weit über die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches hinaus erreicht. Und auch wenn die Habsburger hier laut Karner im Vergleich zu anderen europäischen Dynastien oftmals "einen Schritt hinten nach waren", wuchs die Hofburg langsam in ihre Funktion als Kaiserresidenz hinein. (APA/red, derStandard.at, 2.1.2015)