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Die kanadische Autorin Margaret Atwood ist die erste Teilnehmerin am "Future Library Project", das sie mit leichter Ironie als Ausdruck des Optimismus wertet. Und auch wenn sie ihre eigenen Zukunftsromane nicht als Science Fiction sehen will, hat sie sich doch immer wieder mit dem Genre auseinandergesetzt - wie etwa in ihrer Essay-Sammlung "In Other Worlds" aus dem Jahr 2011:

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Foto: Doubleday/AP/dapd

Ein Schriftsteller, der sein Manuskript zur späteren Veröffentlichung abgibt: eigentlich ein alltäglicher Vorgang. Doch wenn die kanadische Autorin Margaret Atwood dies heuer in Norwegen tut, dann ist das etwas ganz Besonderes - "spätere Veröffentlichung" bedeutet in diesem Fall nämlich ein ganzes Jahrhundert.

Atwood ist die Erste, die am Projekt "Framtidsbiblioteket" ("The Future Library Project") mit einem selbstverfassten Text teilnimmt. Initiiert von der schottischen Künstlerin Katie Paterson und unterstützt von der Stadt Oslo, verschmelzen in diesem Projekt bildende Kunst, Literatur und die immer wieder mal aufflammende Mode, für die Nachwelt "Zeitkapseln" zu hinterlassen, zu einer Art angewandter Science Fiction.

Vorkehrungen

Patersons Zukunftsbibliothek wird von heuer an pro Jahr mit jeweils einem neuen Text bestückt; der gesamte Bestand bleibt jedoch bis zum Jahr 2114 unter Verschluss. Um die eingelagerten Manuskripte dann tatsächlich drucken zu können, wurden Vorkehrungen getroffen: Im Wald von Nordmarka außerhalb Oslos wurden im vergangenen Jahr 1.000 Bäume gepflanzt, aus deren Holz das Papier für die Bücher gewonnen werden soll.

Zudem entwirft Paterson bis 2018 einen Raum innerhalb einer öffentlichen Bibliothek des Osloer Stadtteils Bjørvika, in dem die vorerst noch provisorisch eingelagerten Manuskripte dann tatsächlich bis 2114 aufbewahrt werden sollen. Zur Ergänzung soll in diesem Raum - angesichts der immer geringer werdenden Halbwertszeit von Speichermedien vielleicht mehr als ein symbolischer Akt - eine Druckerpresse aufbewahrt werden, falls diese Technologie im Jahr 2114 nicht mehr existiert.

(Keine) Science Fiction

Gerade dieses langfristige Denken war es, das Atwood zur Teilnahme an dem Projekt gereizt hat. Zukunftsszenarien sind der 75-Jährigen nicht fremd, hat sie innerhalb ihres vielfältigen literarischen Schaffens doch auch Dystopien wie "Der Report der Magd" oder "Oryx und Crake" geschrieben (ersteres wurde 1990 von Volker Schlöndorff verfilmt, zweiteres soll zur Grundlage einer HBO-Serie werden).

Dennoch wehrt sich Atwood dagegen, ihre Romane der Science Fiction zuschreiben zu lassen. Mit ihrer rein persönlichen Definition von SF als "sprechende Tintenfische im Weltraum" hat sie innerhalb des Genres vor Jahren eine Kontroverse ausgelöst, die ihr trotz des großen Respekts, den man ihr entgegenbringt, immer noch nachhängt.

Katie Petersons Zukunftsvision hingegen ist nach Atwoods Geschmack, ist sie doch ganz auf Nachhaltigkeit angelegt und stützt sich - siehe Druckerpresse - ausschließlich auf bereits existierende Technologien. Zudem zeuge das Projekt von Optimismus: "Dieses Projekt glaubt zumindest, dass es die Menschheit in hundert Jahren noch geben wird!", so Atwood.

Wir werden's nicht mehr erleben

Für die beteiligten Autoren - von denen einige noch gar nicht geboren sind, wie Paterson betont - gibt es keine inhaltlichen, formalen oder sprachlichen Einschränkungen. Jedem bleibe es selbst überlassen, sich zu überlegen, was er einem Publikum der Zukunft zu sagen hat.

Für die nächsten 100 Jahre jedenfalls werden in der Osloer Zukunftsbibliothek nur die Namen der am Projekt beteiligten Autoren und die Titel ihrer Werke ausgestellt. Die Texte selbst bleiben unter Verschluss - auch Atwood hat bereits ausdrücklich erklärt, dass keine zehn Pferde sie dazu bringen könnten, zu verraten, worum es in ihrem Beitrag geht. Was gleichzeitig bedeutet: Mit höchster Wahrscheinlichkeit wird niemand, der diesen Artikel jetzt und hier liest, jemals erfahren, was die Zukunftsbibliothek beinhaltet. (jdo, derStandard.at, 10. 1. 2015)