Als Stefan Löfven Anfang Dezember im schwedischen Reichstag mit seinem Budgetentwurf scheiterte, war er gerade erst 63 Tage im Amt. Dennoch zögerte er keine Minute, vorgezogene Neuwahlen anzukündigen - ein ungewöhnlicher Vorgang für Schweden, wo das zuletzt in den 1950er-Jahren der Fall gewesen war. Freilich, man kann sagen, dass Löfven gar keine andere Wahl hatte; schließlich war er bloß der schwache, unerfahrene Chef einer rot-grünen Minderheitsregierung. Und wo keine Mehrheit ist, da ist eben auch kein Regieren möglich. Sehr simpel.
Doch so eindimensional war Löfvens Reaktion damals nicht. Er machte sehr deutlich, dass er die bürgerliche Opposition für seine Niederlage für verantwortlich hielt - und diese würde folglich auch die Hauptschuld daran tragen, sollten im Frühjahr die rechtsextremen Schwedendemokraten einen weiteren billigen Stimmenzuwachs feiern.
Die Botschaft ist angekommen: Die bürgerliche Allianz, die sich ebenso wie Löfvens Lager glaubwürdig von den Schwedendemokraten distanzieren will, hat nun mit Rot-Grün das "Dezemberabkommen" getroffen und damit Neuwahlen abgewendet und demokratiepolitisches Verantwortungsbewusstsein gezeigt. Wer auch immer in Zukunft die Regierung stellt: Man wird an einem Strang ziehen, wenn es um die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien in traditionell-schwedischer Lesart geht. Zu diesen Prinzipien gehört nicht nur eine vergleichsweise offene Migrationspolitik, sondern auch die Überzeugung, dass Minderheitsregierungen Ordentliches leisten können, wenn die Opposition nicht ausschließlich demagogisch, polemisch und destruktiv agiert. Modelldemokratie Schweden also?
Über den auf längere Sicht erzielten Ausschluss der Rechtsextremen von der Regierungsverantwortung kann man lang und ergebnislos diskutieren - nicht zuletzt in Österreich gibt es darin viel Übung. Natürlich steht es einer demokratisch gewählten Partei zu, Verantwortung zu übernehmen. Wenn aber klar ist, dass sie diese Verantwortung missbrauchen würde, muss es legitim sein, sie davon abzuhalten. In Schweden geschieht das nun. Es muss aber auch ehrlich und eingehend Ursachenforschung betrieben werden: Schweden ist wohl doch keine Modelldemokratie mehr - vorausgesetzt, sie war es jemals. Zu deutlich sind die Sorgen, Ängste und Frustrationen der Wählerinnen und Wähler, die vermehrt die extreme Rechte wählen - wenngleich eher aus Protest denn aus Überzeugung. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 29.12.2014)