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Flohmarkt in St. Petersburg. Auch Russlands Bürger bekommen derzeit die Krise zu spüren.

Foto: AP/Lovetsky

St. Petersburg/Moskau - Panikkäufe der russischen Bevölkerung aufgrund des fallenden Rubels haben die Behörden von St. Petersburg zu einer ungewöhnlichen Maßnahme gezwungen: Ausgerechnet in der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin wurde nun der Verkauf der U-Bahn-Münzen rationiert, weil die Einwohner sie seit Tagen horten wie anderswo Zucker oder Buchweizen.

Künftig dürfen Kassierer in den Metro-Stationen demnach nur noch zwei Münzen pro Kunde ausgeben. Normalerweise werden in Russlands zweitgrößter Stadt täglich rund 15.000 U-Bahn-Münzen verkauft. Im Dezember aber waren es zwischen 80.000 und 100.000 pro Tag. Grund dafür ist die ab 1. Jänner geltende Preiserhöhung von 28 auf 31 Rubel (45 auf 50 Euro-Cents). "Ich habe das Gefühl, die Leute hier investieren in Metro-Münzen", witzelte ein Passagier vor einem U-Bahn-Schalter in St. Petersburg.

Vor allem ärmere Haushalte horten seit einigen Wochen wichtige Güter aus Angst vor dem anhaltenden Verfall des Rubels und steigender Inflation. Schuld an der Währungskrise ist der fallende Ölpreis, doch die westlichen Sanktionen wegen Russlands Ukraine-Politik verschärfen die Situation weiter.

Kurzurlaub für den Präsidenten

Wegen der schweren Krise in Russland fällt für den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Regierung der Urlaub an den Feiertagen Anfang Jänner diesmal kurz aus. Die Lage verlange höchste Aufmerksamkeit und tägliche Kontrolle, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow, wie russische Medien am Samstag berichteten.

Putin werde das Neujahrsfest, das in Russland in den Familien ähnlich wie Weihnachten in der westlichen Welt gefeiert wird, im Kreise seiner Verwandten und Freunde begehen, sagte Peskow. Das orthodoxe Weihnachten wird am 6. und 7. Jänner gefeiert. Die russischen Neujahrs- und Weihnachtsferien dauern vom 1. bis zum 11. Jänner.

Rezession erwartet

Die russische Regierung stellt sich wegen des rasanten Preisverfalls von Öl und Rubel auf eine Wirtschaftskrise ein. Finanzminister Anton Siluanow sagte am Freitag, die Wirtschaftsleistung könne nächstes Jahr um vier Prozent schrumpfen, sollte der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau von rund 60 Dollar pro Fass bleiben.

Es wäre das erste Mal seit 2009, dass die russische Wirtschaft nicht wächst. Das würde auch den Haushalt des osteuropäischen Landes belasten. Das Defizit würde dann wohl auf über drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Für ein ausgeglichenes Budget müsse der Ölpreis steigen, sagte Siluanow.

Seit Juni hat er sich aber nahezu halbiert, weil das Angebot die Nachfrage deutlich übersteigt und sich die Opec-Länder gegen eine Produktionskürzungen entschieden. Anders als Russland betonte der Top-Produzent Saudi-Arabien, auf eine längere Phase niedriger Ölpreise vorbereitet zu sein und diese durchstehen zu können.

Rubelverfall vorübergehend gebremst

Zumindest der Verfall des Rubel, der viele Unternehmen in Schach hält, setzte sich zunächst nicht fort. Am Freitag kostete ein Dollar gut 54 Rubel. Zuletzt bekam man am Markt noch 80 Rubel für einen Dollar - ein Rekordtief für die russische Währung. Die russische Zentralbank hatte den Leitzins zuletzt massiv angehoben, wodurch Anlagen im Land attraktiver werden. Regierungskreisen zufolge hat Moskau zudem fünf der größten Exporteure verpflichtet, einen Teil ihrer Devisenreserven auf den Markt zu werfen. Betroffen sind davon unter anderem die Energiekonzerne Gazprom und Rosneft.

Anzeichen zunehmender Probleme russischer Firmen und der gesamten Wirtschaft gibt es bereits zuhauf. Am Freitag teilte die Zentralbank zum Beispiel mit, die mittelgroße Trust Bank mit bis zu 2,4 Milliarden Dollar vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Es ist das erste Opfer der jüngsten Währungsturbulenzen. Auch andere Geldhäuser sind bereits auf staatliche Mittel angewiesen. Die Rating-Agentur Standard & Poor's hat zudem angedeutet, die Kreditwürdigkeit Russlands womöglich bald in den sogenannten Ramsch-Bereich zurückzustufen, der für besonders riskante Investments steht.

Hohe Inflation

Am Donnerstag hatte Finanzminister Siluanow die Währungskrise noch für beendet erklärt. Die Turbulenzen auf dem Devisenmarkt seien vorüber und der Rubel erstarke wieder. Die Währung hat vor allem wegen des Ölpreis-Rückgangs sowie wegen der westlichen Sanktionen im Zuge des Ukraine-Konflikts an Wert verloren.

Die russischen Gold- und Devisenreserven sind durch Stützungskäufe auf den tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren gefallen. Die Moskauer Notenbank bezifferte die Reserven auf 398,9 Milliarden Dollar - ein Rückgang von 15,7 Milliarden Dollar innerhalb einer Woche. Zuletzt hatte die Summe im August 2009 unter 400 Milliarden Dollar gelegen. Die Notenbank hat in diesem Jahr insgesamt mehr als 80 Milliarden Dollar zur Stützung des Rubel ausgegeben.

Nach Angaben der Regierung in Moskau hat der Wertverlust des Rubel die Inflationsrate zuletzt auf 10,4 Prozent angeheizt. Bis Jahresende könne sie sogar auf rund elf Prozent steigen. Die Preissteigerung hatte zuletzt während der Finanzkrise 2009 die psychologisch wichtige Schwelle von zehn Prozent überschritten. (APA/Reuters/red, derStandard.at, 27.12.2014)