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Stephan Ulamec an seinem Arbeitsplatz: Der Wissenschafter hofft, Philae im kommenden Jahr wieder "aufwecken" zu können und dann mehr Details über die Beschaffenheit des Kometen "Tschuri" zu finden.

Foto: APA/DLR

STANDARD: Wie gut steht Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko? Und wie lange war der Lander in Betrieb?

Ulamec: Da gehen die Meinungen durchaus auseinander. Philae ist letztlich auf einem schattigen Platz gelandet. Bilder lassen den Schluss zu, dass ein Bein des Landers in die Höhe ragt. Die Daten der akustischen Sensoren in den "Füßen" sagen uns aber, dass er mit allen drei Beinen auf dem Boden steht. Philae ist jedenfalls im Schatten eines Kometenbrockens relativ fest verkeilt. Das ist auch der Grund, warum es hier zurzeit nur etwa eine Stunde und 20 Minuten Sonnenlicht pro Kometentag gibt - zu wenig, um den Lander warmzuhalten und zu betreiben. Die Batterien haben vom Zeitpunkt der Abtrennung von Rosetta für 64 Stunden Energie geliefert. Wir konnten jedes der zehn Instrumente zumindest einmal betreiben und auch eine Bodenprobe entnehmen.

STANDARD: Welche Chancen gibt es, Philae wieder in Betrieb zu nehmen?

Ulamec: Der Komet kommt der Sonne immer näher, daher gibt es auch immer mehr Sonnenlicht. Im Mai bzw. Juni wollen wir wieder Kontakt mit Philae aufnehmen und den Lander in Betrieb nehmen. Die Chancen stehen gut, dass das gelingen könnte.

STANDARD: Die von Ihnen durchgeführte Landung Philaes hat die größte Aufmerksamkeit erweckt. Dem gegenüber steht die Aussage vieler Wissenschafter, dass die Rosetta-Mission auch ohne Landung ein großer Erfolg gewesen wäre. Liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen?

Ulamec: Diese Tatsachen widersprechen einander nicht. Rosetta ist ein Erfolg, weil wir einem Kometen noch nie so nahe waren. Dass Philae so viel Aufmerksamkeit erweckt hat, liegt auf der Hand. Es ist schon sehr spannend, direkt auf einem Kometen zu landen. Philae ist aber selbstverständlich nicht nur ein Medienereignis. Damit gewinnen wir direkt von der Oberfläche Daten. Die Aufnahmen haben eine Auflösung im Submillimeterbereich. Die Sonde Rosetta kann, trotz hochauflösender Instrumente, nur Daten erfassen, die verändert und differenziert sind - weil sie eben nicht direkt von der Oberfläche kommen. Die Moleküle, die wir hier sehen, sind in der Koma rund um den Kometen, das ist nicht das gleiche wie Moleküle, die wir von der Oberfläche entnehmen können.

STANDARD: Welche Forschungsergebnisse sind für 2015 zu erwarten?

Ulamec: Wenn es uns gelingt, die Batterie von Philae wieder aufzuladen, dann können wir in der Analyse viel tiefgreifender als bisher gehen. Diese eine Bodenprobe war nicht besonders volatil. Wir könnten dann genauere Aussagen über die chemische Zusammensetzung der Kometenoberfläche treffen und mit dem Radar den Kern des Kometen genauer scannen. Wir würden dann auch sehen, wie sich die Temperatur ändert, wenn der Komet der Sonne entgegenfliegt. Wie verändert sich die Oberfläche? Es könnte ja sein, dass hier nicht nur Staubteile wegfliegen, sondern größere Brocken.

STANDARD: Bisher wurden ja auch schon große Datenmengen gesammelt. Was ist hier noch für 2015 zu erwarten?

Ulamec: Derzeit werden Experimente ausgewertet, deren Interpretation doch recht komplex ist. Bei Radarmessungen entdeckt man ja sehr schnell irgendetwas, muss aber genauer hinschauen, ehe man Aussagen trifft - um nicht voreilig etwas zu publizieren, was danach vielleicht zurückgenommen werden muss. Ich erwarte mir weitere Erkenntnisse über Kometen, die unser bisheriges Verständnis stark erweitern.

STANDARD: Eine Studie hat ergeben, dass das Wasser der Ozeane vielleicht doch nicht von Kometen stammt ...

Ulamec: Rosina, ein Experiment auf dem Orbiter, hat das Verhältnis von Wasserstoff und dem Wasserstoffisotop Deuterium in den Ausgasungen des Kometen gemessen. Es entspricht nicht dem Verhältnis in unseren Ozeanen. Das widerlegt die bekannte These von Kometen, die das Wasser auf die Erde brachten. Tschuri kann aber auch eine Ausnahme sein. Manche Wissenschafter meinen, das Ozeanwasser könnte von primitiven Asteroiden stammen. Ich persönlich denke, dass es auch durch Vulkanismus auf die Erdoberfläche gelangt ist.

STANDARD: Wie lange wird die Mission laufen?

Ulamec: Formal bis Ende 2015. Wenn der Treibstoff in Rosetta ausreicht, und davon gehen wir aus, dann werden wir die Experimente voraussichtlich bis Mitte 2016 fortsetzen können.

STANDARD: Dann sind für Sie 20 Jahre Rosetta Geschichte. Was kommt danach? Wieder Kometenmissionen?

Ulamec: Ja, zum Beispiel Mascot, das ist ein Landegerät für eine Mission zu einem erdnahen Asteroiden. Diese Projekte laufen schon jetzt. Man baut doch Know-how auf, die andere Missionsentwickler ganz gern abrufen. (Interview: Peter Illetschko, DER STANDARD, 24.12.2014)