Ein General, der zum Auserwählten wird: Christian Bale führt in Ridley Scotts Monumentafilm "Exodus: Götter und Könige" als Moses die Hebräer aus der Sklavenschaft.

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Wien - Gott als körperlose Stimme, die aus den Wolken zu uns spricht, das war für Ridley Scott zu klischeebeladen. In einem Monumentalfilm, der auf seine visuelle Extravaganz etwas hält, muss auch die höchste Instanz überzeugen. Und so ist es dann auch: Gott erscheint Moses (Christian Bale) als Kind (verkörpert vom elfjährigen Briten Isaac Andrews), und er steht weniger auf der Seite der Güte als auf jener der Macht.

"Ich brauche einen General", sagt der Bub forsch zum Propheten. Der weiß in diesem Moment nicht so richtig, wie ihm geschieht. Der Auftrag, das Volk der Hebräer zu befreien - in Exodus: Götter und Könige hat diese Vision mehr von einem surrealen Wahnbild, einem Albtraum.

Eine widersprüchliche, unheimliche Figur ist Scott da gelungen. Wenn man will, kann man ihre Schöpfung als unheilige Aktion des Regisseurs sehen, eines bekennenden Ungläubigen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Brite sich einfach nur für ein attraktives Bild entschieden hat. Ein Anführer, der ob der Rücksichtslosigkeit seines Gottes in Rage gerät und darüber mit diesem Bengel ausgiebige, aber letztlich unergiebige Debatten führt, das macht einfach mehr her.

Bevor es zu diesen Konfrontationen kommt und damit auch der Film an Dynamik gewinnt, muss in dem passend zu Weihnachten startenden, zweieinhalb Stunden langen Bibelschinken aber erst die Berufung verspürt werden. Das braucht nicht nur Zeit, es hat auch den Anschein, dass es Scott und sein vierköpfiges Autorenteam als lästigen Anlauf zum Wesentlichen empfunden haben. Vor allem die Ambivalenz des Verhältnisses von Moses zu seinem Adoptivbruder Ramses, dem Sohn des Pharaos, bleibt eher Behauptung. Die Figuren trennen nicht nur ihre Familienbande, sondern auch ihre praktische Intelligenz.

Lust an der Übertreibung

Die aktuellen Bibelfilme, man erinnere sich an Darren Aronofskys Noah, verbergen ihre Freude am Trivialen nicht mehr. Die Wiederentdeckung der ältesten Geschichten der Menschheit geht mit einer Lust an der grellen Überspitzung einher, die sich in der Ausstattung, aber auch in der Ausgestaltung mancher Rolle bemerkbar macht.

Wo Aronofsky die Gewalt des Rohen betonte, setzt Scott eher auf flamboyante Töne. Die sinnesfrohen Ägypter bieten dafür ein reiches Betätigungsfeld. Joel Edgerton, der wie ein mit Kajalstift geschminkter Til Schweiger aussieht, legt sich als Ramses zur Nervenberuhigung gerne eine große Schlange um den Hals. John Turturro als sein Vater Seti ist schon besetzungstechnisch ein Coup, der dem stolzen Volk ein wenig von seinem majestätischen Selbstverständnis nimmt.

Die Schönheit und Pracht ihrer Bauwerke sind das Werk von Sklavenheeren, demonstriert Scott, ein Freund opulenter Panoramen, wiederholt. Auf Moses' Drängen, sie mit Bürgerrechten auszustatten, geht Ramses nicht ein, das sei schon "in ökonomischer Hinsicht" nicht ratsam: So spricht ein zeitloser Staatsmann über die Jahrtausende hinweg.

Den zehn Plagen, die Gott zur Strafe schickt, bringen dann vor allem das Wesen des Attraktionskinos hervor. Hier beweist Scott sichere Hand, mit digitalen Mitteln beschwört er den verschwenderischen Geist eines Cecil B. de Mille: kitschig, albern, ernst. Alles zugleich. Im Nil tummeln sich Krokodile und färben mit ihrer Beute den Strom blutrot, die Stechmücken verbreiten daraufhin schwarze Blattern, die auf den Gesichtern krustig-eitrige Geschwüre hinterlassen. Die Figuren werden zu passiven Leidenden der göttlichen Intervention.

Für die Kinozuschauer wiederum macht sich jetzt erst das Ticket bezahlt. Hinter der Formenvielfalt einer Hochkultur tritt der Preis hervor, um den sie ihre Vorrangstellung errungen hat. Eine Analogie zur Gegenwart sucht man vergeblich: Die Hochzeiten des Monumentalfilms kommen stets zu jenen Zeiten des Kinos, wo es die Attraktion der großen Leinwand zu verteidigen gilt. Das wichtigste Gebot lautet diesmal: auf allen globalen Leinwänden mit 3-D-Ausstattung. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 24.12.2014)