Was macht ein Kanzler? Er regiert im Normalfall im Sinn von Good Governance korruptionsfrei, effizient, rechtsstaatlich, sozial und wirtschaftsorientiert. In entscheidenden, "großen" Fragen setzt er eine neue, möglicherweise umstrittene Politik durch und überzeugt da- mit am Ende auch noch die Wähler.

Was tut Werner Faymann? Er regiert. So gut wie inspirationsfrei. Bei großen, kontroversiellen Themen flüchtet er sich in einen wohlfeilen Populismus. Das war seinerzeit beim sinnfreien Kniefall vor der Krone (" Volksabstimmung, wenn neuer EU-Vertrag"). Das ist jetzt wieder bei den EU-Sanktionen gegen Putin. Kanzler Faymann beschließt im EU-Rat mit, dass die Sanktionen andauern, dann gibt er zu Hause der Krone Interviews, wo er fordert, man müsse sich auf den "Weg hinaus aus den Sanktionen konzentrieren". Man müsse Russland "eine Brücke anbieten". Auch dann, wenn sich Putin keinen Millimeter bewegt hat?

So etwas macht kein Kanzler, der ernst genommen werden will, unter anderem von Putin selbst. Selbst wenn man Zweifel an den Sanktionen hat, untergräbt man nicht mit einer solchen Appeasementpolitik die Position der EU.

Putin hat sich verkalkuliert, und das macht die Situation gefährlich. "Brückenbauen" ist daher okay, aber wenn das aus einer vorauseilenden Selbstaufgabe besteht, dann kann man wohl nicht von großer Staatskunst eines Kanzlers sprechen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 23.12.2014)