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"The Interview" hätte kurz nach Weihnachten ins Kino kommen sollen.

Foto: AP/Dovarganes

Wien - Hollywood ist in schierer Aufregung: die Freiheit der Kunst, die Freiheit der Interpretation, die Meinungsfreiheit ist in Gefahr. Anlass ist der Rückzug des Films "Das Interview" durch die Produktionsfirma Sony. "Wow, alle geben klein bei. Die Hacker haben gewonnen", twitterte Schauspieler Rob Lowe, der in dem Film mitspielte. "Trauriger Tag für die Meinungsfreiheit" twittert Hollywood-Komiker Steve Carell zurück. Selbst US-Präsident Obama ist alles andere als amused. Sony Pictures Entertainment hat den Film, der dieser Tage hätte anlaufen sollen, ganz tief unten im firmeneigenen Giftschrank versenkt.

Dumm gelaufen ist "The Interview" made by Sony. Ein Weihnachtsknüller hätte die filmische CIA-Agentenkomödie samt Mordkomplott rundum den nordkoreanischen Staatschefs werden sollen. Kim Jong-un allerdings ist bisher noch nie durch überschäumenden Humor aufgefallen, für ihn war der Film, so heißt es, ein Kriegsakt. Also kam laut faz.net das nordkoreanische Büro 121 zum Zug, in dem angeblich 1800 "Cyber-Krieger" arbeiten, hoch bezahlte, hoch qualifizierte Elite-Militärs.

Zweckentfremdung eines Interviews

Das Sony-Computersystem wurde gehackt, das jüngste James-Bond-Drehbuch gestohlen, sämtliche Interna ausgehoben, mit Terror gedroht, falls der Film "Das Interview" nicht versenkt werde. Sony ging in die Knie vor den Hackern, die sich selbst "Hüter des Friedens" nennen, "Guardians of Peace", kurz GOP. "Zweckentfremdung eines Interviews" nennt das 3sat-Magazin "kulturzeit" mehrdeutig die Schlüsselszene der filmischen Satire: Mit einer Bombe am zum Gruß ausgestreckten Arm nähert sich ein als Journalist getarnter CIA-Agent dem filmischen nordkoreanischen Diktator.

Sony- Sündenfall

Nicht diese Szene, vielmehr der Sony-Kniefall ist jedoch das Problem. Schon vor einigen Wochen war das Unternehmen offenbar von den so genannten "GOP"- Friedenshütern gewarnt worden. Angeblich wurde der Film daraufhin auf Wunsch der Konzernleitung inhaltlich abgeschwächt. Im Sinne der Gestaltungsfreiheit war dies der erste Sündenfall: auf Kosten der Meinungsfreiheit die Bereitschaft zu Konzessionen an unbekannte Erpresser, um Kinostart plus Verkauf des Filmes sicherzustellen. Ökonomische Interessen und Gier statt Rückgrat und Prinzipientreue, diese fatale Präferenz führte die Sony-Geschäftsführung genau in die falsche Richtung. Nicht nur über 40 Millionen Dollar Produktionskosten wurden dadurch vernichtet, das Image der Firma ist für Jahre ramponiert.

Verschwörungstheorien

Aus dem Boden schießen Verschwörungstheorien, blühen vor sich hin. Die einen sehen das ominöse Büro 121 hinter dieser erfolgreichen Cyper-Attacke auf das offenbar miserabel geschützte IT-System der Firma Sony. Andere, wie der deutsche Spionage- und Cyberexperte der FU-Berlin, Sandro Gaycken, in einem 3sat-"kulturzeit"-Interview darlegt, vermuten lediglich Kleinkriminelle dahinter. Begründung: Der Stil entspräche nicht der diktatorischen Regierung Nordkoreas. Der amerikanische Geheimdienst sieht das natürlich anders.

Das nordkoreanische Staatsfernsehen wiederum weist jede Verantwortung an der Sony-Cyber-Affäre strikt zurück. Nordkorea schlägt stattdessen eine gemeinsame Aufklärungsgruppe mit den USA vor. Diese wiederum möchten China als Mittler mit ins Boot holen - auch dieses Land ist bekanntlich prinzipiell nicht menschenrechtsorientiert. Die Grenzen verwischen sich.

Irgendwann wird es wohl eine Kino-Version dieser Affäre geben. Hoffentlich gut recherchiert und unzensiert – von wem auch immer. (Rubina Möhring, derStandard.at, 22.12.2014)