Zu Weihnachten macht Nationalratspräsidentin Doris Bures ÖBB-Chef Christian Kern, der als Werner Faymanns Nachfolger in der SPÖ gehandelt wird, ein besonderes Geschenk. Im Ö1-Interview richtet sie ihm aus: Er sei zwar ein "hervorragender ÖBB-Manager" - schließlich hat sie ihn als Infrastrukturministerin auf diese Position gesetzt –, Politik sei aber "nicht seine Stärke".

Das wirft viele Fragen auf. Einerseits: Welche Kompetenzen muss denn aus Bures‘ Sicht ein Politiker oder eine Politikerin haben? Und welche davon fehlen Herrn Kern? Hat er in der SPÖ noch nicht genug Seilschaften gebildet, die ihm die Stange halten, auch wenn es einmal eng wird? Fehlt es ihm ganz grundsätzlich an so etwas wie einer politischen Vision? Kann er, der Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs, aufgewachsen in Simmering, die sozialdemokratische Idee nicht glaubwürdig vertreten? Vor allem aber: Was kann Werner Faymann besser als Christian Kern?

Andererseits ist es einer Präsidentin des Nationalrates nicht würdig, solche Behauptungen von sich zu geben. Offenbar nach dem Vorbild ihrer Vorgängerin Barbara Prammer, hat sich auch Bures in den letzten Monaten bemüht zu betonen, wie wichtig ihr die parlamentarische Demokratie ist. Nur: Jemandem zu bescheinigen, er sei nicht für die Politik geeignet, ohne dass er das Gegenteil bewiesen hat, ist alles andere als demokratisch. Vielleicht hat Bures auch etwas an ihrer Aufgabe als Nationalratspräsidentin missverstanden. Leute mit dem Stempel "für die Politik ungeeignet" zu versehen, gehört jedenfalls nicht dazu.

Doris Bures hat sich mit ihrem Vorstoß selbst beschädigt. Sie hat sich in jene parteipolitische Niederungen herabgelassen, von denen sie sich zumindest in diversen Interviews zu emanzipieren versucht hatte. Um Werner Faymann muss es innerparteilich wirklich schlecht bestellt sein. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 21. Dezember 2014)