Der Fall Natascha Kampusch. Es gab die Entführung und jahrelange Freiheitsberaubung, dann kamen die Missgünstigen, die Durchgeknallten, die Bösartigen, die Verschwörungstheoretiker.

Ein solcher saß dieser Tage vor Gericht. Selten hat es einen höherrangigen Verschwörungstheoretiker in entsprechender Position gegeben. Johann Rzeszut, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofes (!), wurde seinerzeit vom Innenministerium als Mitglied einer Evaluierungskommission eingesetzt, die etwaiges Behördenversagen in diesem Fall hätte untersuchen sollen. Solches Behördenversagen gab es. Es wurden frühe Hinweise auf den Entführer nur nachlässig verfolgt, was Natascha Kampusch lange Jahre in Gefangenschaft bescherte.

Richter Rzeszut und seine Kommission kümmerten sich lieber um Verschwörungstheorien: Mehrtäterschaft. Kinderpornoring. Angebliche Lügen von Frau Kampusch. Zum Schluss sogar ein in der Gefangenschaft empfangenes und dann irgendwie verstecktes Kind. Rzeszut spann sich so total in diesen kranken Schwachsinn ein, dass ein FPÖ-naher Polizeibeamter sogar versuchte, unter Berufung auf ihn eine DNA-Probe einer Volksschülerin als angebliche Natascha-Tochter zu ergaunern. Rzeszut leugnete, damit zu tun zu haben, die Telefonprotokolle widerlegen ihn. Wahnideen ganz oben in der Justiz - kein beruhigender Gedanke. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 20.12.2014)