Muffinbacken in der Inklusionsgruppe: Auf spielerische Art und Weise wird das Selbstwertgefühl aller Beteiligten gestärkt.

Foto: Christian Fischer

Wien – Jedes Kind übernimmt eine Aufgabe: Eier aufschlagen, Öl abmessen, den Teig verrühren – zwischendurch wird das benutzte Geschirr abgewaschen. Sechs Muffins finden in einer Backform Platz. Schokostreusel müssen auch noch in den Teig, deutet Laura* und bemüht sich, die Packung zu öffnen. Jasmin* hilft ihr dabei.

Die 13-jährige Laura lebt mit sieben weiteren Zehn- bis 17-Jährigen in einer von zwei Caritas-Wohngemeinschaften für intellektuell und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche in Wien-Simmering. Heute ist nicht nur die zwölfjährige Jasmin zu Besuch, sondern auch fünf ihrer Klassenkameraden aus der Neuen Mittelschule Gassergasse in Wien-Margareten.

Muffins am Pausenbuffet

In den Gemeinschaftsräumen der Wohngruppe mit den bunten Kinderzeichnungen an den Wänden und den Sitzsäcken am Boden herrscht ausgelassene Stimmung. Es wird Fangen gespielt, getrommelt, gelacht, geplaudert und vor allem gebacken: Denn die Muffins werden später am Pausenbuffet des Schulzentrums Gassergasse verkauft – den Erlös wollen die Zweitklässler "Licht für die Welt" spenden.

Die Hilfsorganisation will mit der Aktion "Helle Köpfe" Kinder und Jugendliche in Österreich dazu bewegen, Inklusionsprojekte für behinderte Kinder in Afrika zu unterstützen. Die jungen Teilnehmer sollen dabei eigene Ideen für Spendenaktionen umsetzen.

Am stärksten benachteiligte Menschen

Kinder mit Behinderungen und ihre Familien zählen zu den am stärksten benachteiligten und gefährdeten Menschen. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge gibt es weltweit über eine Milliarde behinderte Menschen. 80 Prozent von ihnen leben in Entwicklungsländern. Nur fünf bis 15 Prozent haben laut einem Unicef-Bericht aus dem Jahr 2013 notwendige Hilfsmittel wie Rollstühle. Diskriminierung und Aberglaube führen dazu, dass Kinder mit Behinderungen immer wieder verfolgt werden.

Hilfsvereine versuchen mit Rehabilitationsprojekten gegenzusteuern: Neben betroffenen Kindern und Eltern werden ganze Dorfgemeinschaften über die Behinderung sowie über Inklusion informiert und mit Hilfsmitteln sowie medizinisch versorgt.

Taschengeld für Kinderpatenschaft

Das Engagement ihrer Schüler habe nicht erst mit der Backaktion begonnen, erzählt Klassenvorstand Gönül Erez. Die 25 Zweitklässler zweigen seit vergangenem Jahr monatlich je einen Euro von ihrem Taschengeld für eine Kinderpatenschaft in Afrika ab.

Erez erarbeitet mit ihren Schülern soziale Themen wie Inklusion und Integration im Rahmen des Unterrichtsfachs "Klassenmanagement". Die Schüler wollten mehr über den Alltag behinderter Menschen erfahren und äußerten schließlich den Wunsch, die Kinder kennenzulernen, denen sie mit der Patenschaft helfen, erzählt Erez. Eine Reise nach Afrika ließ sich nicht realisieren, stattdessen organisierte die Pädagogin den Besuch bei der Wohngruppe.

Dort bekommen die Kinder schon zum zweiten Mal Besuch aus der Gassergasse, weil 25 Gäste auf einmal zu viele wären; manche Schüler sind aber schon zum zweiten Mal da.

Blindenstock und Krücke

Mit ihren Mitschülern hat Jasmin bei einer Projektnacht ausprobiert, sich mit einem Blindenstock zu orientieren oder mithilfe einer Krücke zu gehen, erzählt die Zwölfjährige. "Das Leben mit einer Behinderung ist schon schwer." Sie behandle behinderte Personen deshalb nicht anders: "Menschen sind Menschen, und das Helfen macht mir Freude."

Die meisten der Kinder und Jugendlichen in der Wohngruppe werden in sonderpädagogischen Einrichtungen unterrichtet. Für viele wären Integrationsklassen zuträglicher, sagt Wohngruppenleiterin Peggy Hamel. Das gemeinsame Backen stärke aber das Selbstwertgefühl aller Beteiligten und ermögliche einen ganz selbstverständlichen Umgang miteinander. (Christa Minkin, derStandard.at, 23.12.2014)