Wegen des öffentlichen Drucks, soll mit TTIP ein neues System der Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt werden.

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Wien - In ihrem Kampf gegen die internationalen Schiedsgerichte haben die Strategen bei Greenpeace, Global 2000, Attac und den Grünen diese Woche ihren bisher wichtigsten Verbündeten gewonnen: Julius Meinl. Der Haupteigentümer der Meinl Bank will die Republik Österreich vor einem Schiedsgericht auf 200 Millionen Euro verklagen. Die Bank soll geschädigt worden sein, weil die Behörden nun schon seit sieben Jahren wegen Untreue bei Meinl ermitteln, so das Argument.

Damit hat Österreich die erste Klage vor einem internationalen Schiedsgericht am Hals. Und Greenpeace und Co sehen sich in ihrer Ablehnung gegen die Sondergerichte in den Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada bestätigt. Das Argument geht so: Seht her, ein Konzern nutzt die Paralleljustiz, um die Republik einzuschüchtern. Wenn TTIP nun so kommt, wie die EU-Kommission will, wird die Zahl der Klagen explodieren.

Übereinstimmung

Dabei herrscht in der Causa Meinl zwischen der Union und den NGOs eigentlich Übereinstimmung: Sie alle haben ein großes Problem damit, dass die Bank das machen darf. Und um die Sache ganz komplex zu machen: TTIP könnte sogar mithelfen, dass Klagen, wie Meinl sie nun anstrebt, künftig in Europa gar nicht mehr möglich sein werden.

Aber der Reihe nach. Die Bank-Eigentümer wollen ihre Klage beim Schiedsgericht auf Basis eines Investitionsschutzabkommens zwischen Österreich und Malta einbringen. Die Meinl-Eigner haben ihren Sitz erst kürzlich auf den Inselstaat verlegt.

Der Fall ist an sich nicht außergewöhnlich. Es gibt weltweit tausende Investitionsabkommen. Sie enthalten meist standardisiert Klauseln, die es Konzernen ermöglichen ein Schiedsgericht anzurufen, etwa weil man in einem Land eine Enteignung fürchtet.

Speziell wird der Fall Meinl, weil hier ein Investitionsabkommen zwischen zwei EU-Staaten genutzt werden soll. Zwischen den 28 Unionsländern gibt es etwa 180 Investitionsschutzabkommen. Sie alle sind mehrere Jahre alt. Auch Österreich hat mit vielen EU-Staaten, allen voran osteuropäischen wie Ungarn, solche Vereinbarungen. Der Kommission sind diese innereuropäischen Deals ein Dorn im Auge: Brüssel will sie ersatzlos streichen. "Die Abkommen stiften Unruhe", sagt ein Beamter.

Fehler im System

Dabei hat die Union keine rechtsstaatlichen Skrupel. Sie meint etwa nicht urplötzlich, die Schiedsgerichte seien intransparent oder problematisch, weil es keine Berufungsmöglichkeiten gibt. Das kritisieren ja SPÖ, Grüne und Attac. Die EU argumentiert vielmehr, dass die innereuropäischen Abkommen illegal sind, weil sie diskriminieren. Ein Beispiel: Irland und Polen haben kein Investitionsschutzabkommen, Österreich und Polen schon. Deshalb hat eine österreichische Firma in Polen theoretisch einen Vorteil. Die Kommission kritisiert zudem, dass die Tribunale juristische Aliens sind: Vor nationalen Gerichten gilt ein Vorrang des EU-Rechts. Schiedsgerichte erkennen dies aber nicht notgedrungen an, weshalb ihre Urteile in Europa das System durcheinanderbringen, argumentieren die Beamten in Brüssel.

Inzwischen fliegen in der Sache die juristischen Fetzen, und zwar in der Causa "Micula". Die beiden Brüder Ioan und Viorel Micula haben über ihre schwedischen Firmen in den 1990er-Jahren begonnen, in Rumänien zu investieren. Sie errichteten eine Abfüllanlage für Mineralwasser, stiegen in die Lebensmittelproduktion ein. Ein Grund dafür waren von Rumänien gewährte Begünstigungen für ausländische Investoren. Im Zuge des EU-Beitritts musste Bukarest diese Förderungen trotz einer längerfristigen Zusage abschaffen. Die Micula-Brüder klagten daraufhin vor einem Schiedsgericht in Washington. 2013 wurde ihnen Schadenersatz über 82 Millionen Euro zugesprochen, und Rumänien begann, das Urteil umzusetzen.

82 Millionen Schadenersatz

Doch im November hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land eröffnet. Wenn Bukarest den Schiedsspruch umsetzt, käme dies einer illegalen Beihilfe gleich. Die Miculas haben dagegen ihrerseits Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebracht.

Lästig sind aus Sicht der Union aber nicht nur die innereuropäischen Deals, sondern auch die vielen Abkommen einzelner EU-Staaten mit Drittländern. Fast jedes EU-Land hat zum Beispiel ein Investitionsabkommen mit China. Sieben Länder in Osteuropa haben eines mit den USA. Dies widerspricht der Idee eines Binnenmarktes komplett, weil US-Firmen in Polen (es gibt ein Abkommen) andere Möglichkeiten haben als in Österreich (es gibt keines). Die Kommission will mit TTIP und den übrigen Freihandelsabkommen nebenher dafür sorgen, dass die vielen Einzelvereinbarungen verschwinden.

Mehr noch: Wegen des öffentlichen Drucks, soll mit TTIP ein neues System der Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt werden. Berufungen werden wohl möglich, die Verfahren werden transparenter, wer als Investor gilt, wird viel strikter definiert. Entsteht damit ein neuer Standard, würde der Druck auf die EU-Länder wachsen, ihre veralteten innereuropäischen Investitionsverträge von selbst ad acta zu legen. Diese strategische Überlegung schwingt bei der Brüsseler Beamtenschaft mit. Bisher sind die EU-Länder von selbst nicht aktiv geworden. (András Szigetvari, DER STANDARD, 20.12.2014)