Am 7. Jänner erscheint Michel Houellebecqs neuer Roman Soumission, zehn Tag später folgt die deutsche Übersetzung. Der Titel soll die "Unterwerfung" unter den Islam andeuten. Die Hauptfigur François lehrt an der "islamischen Universität Paris-Sorbonne" und fragt sich, ob er wie die meisten seiner Kollegen zum Islam übertreten soll. Er verzichtet aber und verlässt die Uni. Im 13. Bezirk, dem Pariser Chinatown (wo Houellebecq wirklich lebt), widmet er sich lieber seinen sexuellen Aktivitäten. "Nichts, nicht einmal ein moslemisches Regime, schien seine unaufhörliche Tätigkeit bremsen zu können", heißt es in einem Ausschnitt, den der Verlag Flammarion durchsickern ließ.

Ein moslemisches Regime? Richtig, wir schreiben das Jahr 2022, und bei den französischen Präsidentschaftswahlen hat der Kandidat Mohammed Ben Abbes von der Partei der "moslemischen Brüderlichkeit" gesiegt. In der Stichwahl mussten ihn die Linken und Bürgerlichen unterstützen, damit nicht die Rechtsextremistin Marine Le Len gewann.

Houellebecq spielt sein bekanntes Verwirrspiel mit der Realität. Ben Abbes ist eine Romanfigur, ihr Premierminister aber der reale Zentrumspolitiker François Bayrou. Den Rest entlehnt er der Politik: 2002 mussten sich die Sozialisten wirklich hinter den Gaullisten Jacques Chirac scharen, um den Sieg von Jean-Marie Le Pen zu verhindern.

Die Fantasien und Ängste des Provokateurs Houellebecq paaren sich mit einem realen Gesellschaftstrend. Der Autor zählt auch den Bloc identitaire zu den Islam-Gegnern. Diese rechtsradikale Formation lieferte auch die Vorlage für die Pegida-Bewegung in deutschen Städten.

Houellebecq hatte den Islam schon früher als "die bekloppteste Religion der Welt" bezeichnet. Er ist damit in Paris nicht der Einzige. Auch der Chronist Eric Zemmour nimmt in seinem Bestseller Le Suicide français implizit die rechtsextreme These auf, das jüdisch-christliche Abendland stehe vor dem "großen Wechsel" zu einer islamisierten Kultur.

Von Soumission werden gleichwohl fürs Erste 150.000 Exemplare gedruckt. (brae, DER STANDARD, 20.12.2014)