Anders als im Frühjahr von SPÖ und ÖVP in Aussicht gestellt, wollen die Koalitionsparteien nun doch keinen U-Ausschuss zu den Zuständen in den Haftanstalten einrichten. Das erklärten die Klubobleute Andreas Schieder und Reinhold Lopatka am Freitag bei einer Bilanz- und Ausblickspressekonferenz.

Das Parlament sei im kommenden Jahr mit zwei Enquetekommissionen (Sterben in Würde, Demokratiereform) sowie dem U-Ausschuss zur Causa Hypo beschäftigt, erklärte Lopatka auf STANDARD-Anfrage. Das sei viel Arbeit, wenn man diese Sachen ernst nehme – "und irgendwann gibt es von der Kapazität her einen Punkt, bei dem man an einer Grenze anlangt". Zudem vertraue er darauf, dass die Generaldirektion im Justizministerium etwaige Missstände in den Justizanstalten aufarbeite, außerdem habe Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) für zusätzliches Justizwachepersonal gesorgt.

Grüne wollen Untersuchung ab Februar

Ähnlich sieht das Schieder, der zuerst einen konkreten Vorschlag der Grünen einforderte und die Frage stellte, ob ein U-Ausschuss wirklich nötig sei oder ob es es auch andere Möglichkeiten geben könnte, Missstände abzustellen und zu verhindern. Bei der Einrichtung von U-Ausschüssen können die Koalitionsparteien einander gemäß dem Regierungspakt nicht überstimmen.

Die Grünen, allen voran deren Justizsprecher Albert Steinhauser, pochten am Freitagvormittag dagegen auf den raschen Beschluss eines U-Ausschusses zu Stein, damit dieser die Arbeit des Hypo-U-Ausschusses, der im März seine Arbeit aufnehmen soll, möglichst wenig beeinträchtige. Steinhauser schlug deswegen vor, die Probleme in den Haftanstalten zunächst am Beispiel der Justizanstalt Krems-Stein ab Februar zu untersuchen – und verwies auf einen im Mai hergestellten Grundkonsens zu dieser Untersuchung, der mit einem Mehrheitsbeschluss, nämlich der Zustimmung von Rot, Schwarz und Grün, gefällt werden sollte. Sollte die ÖVP nun davon abweichen, wäre das ein "Wortbruch" Lopatkas, so Steinhauser.

Zu wenig Zeit für Häftlinge

In Stein war im Frühjahr die schwere Vernachlässigung eines Häftlings im Maßnahmenvollzug bekannt geworden, in der Justizanstalt ein Jugendlicher von Mithäftlingen vergewaltigt worden. Steinhauser schließt aber nicht aus, dass das Untersuchungsthema auf andere Haftanstalten ausgedehnt werden könnte. Denn die Abgeordneten sollten hinter das "abgeschlossene System" Strafvollzug schauen, damit bessere "Standards geschaffen werden".

Laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung, die der Grüne an Brandstetter gestellt hat, hat es im Jahr 2013 insgesamt 13 habe es strafrechtlich relevante Übergriffe in Haft gegeben, 14 sexuelle Übergriffe seien dokumentiert, die Hälfte davon unter Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Steinhauser kritisierte auch die Personalausstattung: Für die psychiatrische Betreuung stehen pro Monat und Häftling 15 Minuten zur Verfügung, bei der medizinischen Betreuung sind es 30 Minuten. (Nina Weißensteiner, derStandard.at, 19.12.2014)