Wien - Selbst getrennt voneinander befragt wie bei "Herzblatt" verstömten die beiden Harmonie, wie es ein an sich roter ORF-General und ein Sprecher des bürgerlichen Freundeskreises im ORF-Aufsichtsrat eher selten tun. Das kann nicht nur an der Donnerstag ebenfalls angesetzten ORF-Weihnachtfeier gelegen sein. Es war der Plan für ein ORF-Newscenter und neue Führungsstrukturen - und was sicher nicht kommt.
"Auf keinen Fall" sagt erst Thomas Zach, der den Finanzausschuss und den bürgerlichen Freundeskreis im Stiftungsrat leitet: Auf keinen Fall dürften noch "veralte Strukturen" nachbesetzt werden, wenn der General doch schon im März die künftigen Führungsstrukturen präsentiert. Gemeint: Channel Manager, multimediale Ressorts, auf Sicht auch die Aufgaben der Direktoren neu verteilt. Zach drängt wie berichtet geradezu, die neuen Strukturen auch rasch umzusetzen.
Kein Radio-Wirtschaftschef mehr
Wenig später kündigt auch Wrabetz in sehr verwandten Worten an, dass er das so genannte Multimedia Operating Model "zügig umsetzen" will bis zum (regulären) Dienstantritt einer neuen Geschäftsführung mit 1. Jänner 2017. Und dass "Neubesetzungen keinen Sinn ergeben, wenn es die Funktion in zwei Jahre nicht mehr gibt".
Ein unbestrittenes Beispiel für diese Funktionen ist rasch zur Hand: Michael Csoklich, Ressortleiter Wirtschaft im Radio, verabschiedet sich per Handshake mit Jahresende in den vorgezogenen ORF-Ruhestand. Ein Radio-Ressortleiter wird mit Blick auf künftig multimediale Ressorts nicht nachbesetzt, bedeuten Wrabetz wie der bürgerliche Aufsichtsrat.
Aufruhr auf dem Kahlenberg ...
Eine ziemlich klare Ansage. Vor allem, wenn man sich erinnert, welchen Aufruhr es bei einer großen ORF-Klausur auf dem Kahlenberg gab, weil Multimedia-Ressorts schon als gegeben und nicht mehr diskutierbar schienen.
Auch die Leitung der Aktuellen Kultur, des Bereichs Literatur und Hörspiel oder des Konsumentenmagazins "Help" werden erst nach Vorhandensein der neuen Ö1-Organisationsstruktur ausgeschrieben, heißt es im ORF.
... und aus der Argentinierstraße
Der jüngste Aufruhr im ORF indes beschäftigte Stiftungsrat und Geschäftsführung schon deutlich mehr in ihrer Sitzung am Donnerstag: Heftig diskutiert, sagen Sitzungsteilnehmer, wurde der Protestbrief des interimistischen Ö1-Chefs Peter Klein an Management und Räte, in der er für das Team des Senders Ö1 durch die neue Struktur und den Newsroom gar in seiner Existenz "gefährdet sieht.
Erinnerung an Oberhausers Abwahl
Hier wundern sich Wrabetz und Zach, getrennt von einander befragt, gemeinsam. Wrabetz erinnert etwa an den Plan, künftig allen Sendern einen starken Channel Manager (mit eigenem Budget) voranzustellen - wie ihn Ö3 und FM4 schon haben, Ö1, ORF 1 und ORF 2 aber nicht. Der ORF-Chef hat auch dafür einen schönen Merksatz: "Identität und Rolle der Sender werden durch die Strukturreform gestärkt."
Nur Weihnachtsfriede für Ö1
Weniger schön formulierte Wrabetz zum Thema in der Sitzung, berichten Teilnehmer: Wegen solchen Verhaltens - schriftlicher Widerspruch gegen Entscheidungen der Geschäftsführung, wiewohl nur intern verbreitet - habe er schon Direktoren zur Absetzung empfohlen. Wrabetz spielt da auf Infodirektor Elmar Oberhauser an, dessen Abwahl er 2010 beantragt und im Stiftungsrat durchgesetzt hat. Oberhauser hat Wrabetz damals übrigens intern eine Personalentscheidung auf Wunsch der SPÖ vorgeworfen und versucht, sich gegen diese querzulegen. Der Fall wirkt also nicht ganz vergleichbar.
Und Wrabetz soll auch gesagt haben, es liege nur an der Vorweihnachtszeit, dass er nicht entsprechend auf Kleins Schreiben reagiert. Manche Sitzungsteilnehmer leiten daraus ab, dass Wrabetz nach den Feiertagen handelt. Dass Klein noch vom interimistischen zum fixen Ö1-Chef wird, schließen noch mehr Ohrenzeugen aus.
Dann lieber Wrabetz
IG Autoren-Chef Gerhard Ruiss kritisierte Freitag prophylaktisch mögliche Konsequenzen für Klein und die Verzögerungen bei der Bestellung der zahlreichen provisorischen Leiter im Hörfunkbereich. Ruiss ortet "Gefahr in Verzug" und forderte die Absetzung von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz durch den Stiftungsrat, weil dieser am "Hörfunk desinteressiert" sei. (fid, APA, derStandard.at, 19.12.2014)