"Nicht-EU-Bürgern das Wahlrecht zu geben ist für mich auch eine Haltungsfrage", sagt Wiens Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ).

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STANDARD: Was wird sich durch die Deklaration zur Menschenrechtsstadt in Wien ändern?

Frauenberger: Wir haben uns viel vorgenommen, zum Beispiel in der Menschenrechtsbildung. Es soll kein Papier sein, das in der Ablage des Rathauses liegt.

STANDARD: Wo orten Sie Defizite?

Frauenberger: Wir stehen im internationalen Vergleich gut da, aber bei Menschenrechten kann man den Zenit nie erreichen. Was den Gewaltschutz betrifft, gibt es noch Luft nach oben. Auch die Frage der Partizipation ist eine große Herausforderung für uns: 24 Prozent der wahlfähigen Wiener Bevölkerung sind nicht wahlberechtigt. Ein weiteres Thema ist Chancengerechtigkeit in der Bildung.

STANDARD: In Wien gibt es immer noch Sonderschulen. Passt das mit dem Menschenrechtsanspruch zusammen?

Frauenberger: Es wäre ein Problem, wenn Kinder mit Migrationshintergrund automatisch in Sonderpädagogischen Zentren landen. Hier gibt es andere Fördermaßnahmen. Das kann aber noch ausgebaut werden. Die einzige Lösung ist die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen. Hier kann man wirklich schauen: Wo haben die Kinder ihre Stärken, ihre Schwächen?

STANDARD: Ziel müsste demnach die Abschaffung der Sonderschulen sein?

Frauenberger: Das ist zu kurz gegriffen. Grundsätzlich ist Inklusion und inklusiven Ansätzen der Vorzug zu geben. Sonderpädagogische Zentren haben derzeit aber eine Berechtigung. Wenn Kinder massive körperliche oder geistige Behinderungen haben, werden sie dort sehr gut betreut. Der Begriff Sonderschule ist der falsche.

STANDARD: Der Menschenrechtsansatz soll in der Stadtverwaltung Einzug finden. Wie wird das organisiert?

Frauenberger: Wir werden in allen Abteilungen an der Menschenrechtsbildung arbeiten, um auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren.

STANDARD: Sind Sanktionen geplant, wenn es Verletzungen gibt?

Frauenberger: Nein, aber ob Gendermainstreaming oder das Thema des frauengerechten Bauens: Wir haben überall Managementinstrumente entworfen, die in der Stadt State of the Art sind.

STANDARD: Zum Wahlrecht für Ausländer: Was ist Ihre Forderung?

Frauenberger: Nicht-EU-Bürgern das Wahlrecht zu geben ist für mich auch eine Haltungsfrage. Wir haben Bezirke, wo über dreißig Prozent nicht wählen dürfen. Wir kriegen schon langsam ein demokratiepolitisches Problem. Bei der Wahlrechtsreform wünsche ich mir einen Vorstoß in diese Richtung.

STANDARD: Bei Rot-Grün gibt es aber Streitereien wegen der Mandatsverteilung.

Frauenberger: Gestritten haben wir nicht. Allgemein vermisse ich eine Diskussion darüber, was man eigentlich von einem mehrheitsfördernden Wahlrecht hält. Ich kann dem viel abgewinnen, überhaupt wenn das Spektrum der Möglichkeiten riesengroß ist. Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Kompromiss mit den Grünen finden werden. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 19.12.2014)