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Das Ende der TTIP-Verhandlungen steht noch in weiter Ferne. Die Sozialdemokraten stimmen derzeit ihre genauen Positionen ab.

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Für Jörg Leichtfried ist die Sache relativ klar: Im Freihandelsabkommen TTIP, das die EU derzeit mit den USA verhandelt, wird es keine Schiedsgerichte geben. Denn, so sagt der Vizefraktionschef aller Sozialdemokraten im EU-Parlament vor Journalisten in Brüssel: Sind die Investitionsschutzklauseln (ISDS) am Ende im fertigen Vertrag drinnen, werden schlicht alle Sozialisten dagegen stimmen, und TTIP wird platzen. Es gebe dazu interne Beschlüsse, die Sozialdemokraten seien das Zünglein an der Waage.

Ob das Ganze wirklich so glatt über die Bühne geht, ist aber alles andere als sicher. Denn, und das gesteht auch Leichtfried ein, ob alle sozialdemokratischen Abgeordneten gegen TTIP stimmen werden, ist ungewiss. Die deutschen Kollegen im EU-Parlament sollen voll hinter den Österreichern stehen, Italiener und Spaniern aber zu Kompromissen bereit sein. Und schon ein paar Abweichler reichen, und die Anti-ISDS-Front ist nur mehr eine Minderheit im Parlament.

Nur 18 Stimmen fehlen

Stimmen Volkspartei, Liberale und Konservative im EU-Parlament wie erwartet für das Abkommen, dann fehlen nur noch 18 Stimmen für eine Mehrheit. Nicht einmal jeder dritte italienische und spanische Sozialdemokrat muss also für das Abkommen stimmen, und es geht durch. Und: Der Druck der Bevölkerung ist in diesen Ländern wesentlich geringer. Während das Abkommen in Deutschland und Österreich ein Riesenthema ist, interessieren sich in den meisten anderen Mitgliedsländern der EU viel weniger Menschen dafür.

Das zeigt auch ein Blick auf Daten der Suchmaschine Google. Nirgends in Europa haben heuer so viele Menschen nach dem Begriff "TTIP" gesucht wie in Österreich. Knapp danach folgt Deutschland, dann kommt lange nichts. In Spanien gibt es im Vergleich zu Österreich nur ein Viertel der Suchanfragen, in Italien ein Fünftel, in Polen oder den Niederlanden nur ein Zehntel, in Frankreich fast gar keine.

In Ländern, in denen die Bevölkerung kaum über TTIP diskutiert, könnten Sozialdemokraten eher für Kompromisse bereit sein, sagt auch Leichtfried. Sein Fraktionskollege David Martin von der britischen Labour Party, der Koordinator für Internationalen Handel ist, weicht der Frage nach dem geplanten Abstimmungsverhalten seiner Fraktion aus. Man werde weiterhin gegen ISDS kämpfen, sich am Ende aber das ganze Paket anschauen und erst dann entscheiden.

Österreich fällt auf

Es sieht derzeit danach aus, als müsste TTIP nicht nur durch das EU-Parlament, sondern auch durch die Parlamente der 28 Mitgliedstaaten. Das österreichische Parlament tritt Schiedsgerichten bisher am entschiedensten entgegen. Im September wurde ein Entschließungsantrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos verabschiedet, in dem man sich gegen die Sondergerichte aussprach. Das gibt es sonst nur in Frankreich. In der österreichischen Regierung hat TTIP vergangene Woche dann für einen kleinen Wickel gesorgt. Bundeskanzler Werner Faymann wollte dem Entschluss via Ministerrat zusätzliches Gewicht verschaffen. Die ÖVP legte sich aber quer und sprach von einem "Angriff".

Die Führungsriege der SPÖ steht unter Druck, was ihre Haltung zu TTIP betrifft. Einerseits hat sie die EU-Kommission mit den Verhandlungen beauftragt, zu Beginn stieß man sich auch an den Schiedsgerichten nicht. Die SPÖ-Basis sprach sich am Bundesparteitag dafür aus, TTIP abzulehnen, sollten Schiedsgerichte darin enthalten sein. Auch Arbeiterkammer und Gewerkschaft machen Druck.

Die EU-Kommission hat längst ein Auge auf die heimische Debatte geworfen. Die rechte Hand von Jean-Claude Juncker, Frans Timmermans, nennt die Diskussion in Österreich ein "Vorbild für ganz Europa". In anderen Mitgliedsländern werde noch zu wenig diskutiert. Könne man Österreich überzeugen, dass TTIP gut für Europa sei, dann wäre es ein Leichtes, auch die restlichen Länder an Bord zu holen, sagt der Erste Vizepräsident der Kommission. Auch die neue Handelskommissarin, Cecilia Malmström, ist sich der Sonderrolle Österreichs bewusst. Sie startet im nächsten Jahr eine Werbetour durch Europa. Ihr erstes Ziel dabei: Wien. (Andreas Sator, DER STANDARD, 18.12.2014)