Kaum ein anderes wirtschaftspolitisches Thema bewirkt so starke, gegensätzliche Emotionen wie die Erbschaftssteuer. Die einen empört es, dass von jedem erarbeiteten Euro rund die Hälfte an den Staat fließt, aber von einem Ertrag, der ohne jede Eigenleistung erzielt wurde, in Österreich heute gar nichts an die Gemeinschaft geht.

Die anderen sehen es als eine Art der Enteignung, wenn der Staat ein Stück des hart erarbeiteten und bereits versteuerten Vermögens, das man auch für seine Kinder geschaffen hat, an sich reißt. Erbschaftssteuern zerstören jeden Leistungsanreiz und vertreiben das Geld ins Ausland.

Die Emotionen sind auf beiden Seiten verständlich, aber im Grundsatz haben die Verfechter einer Erbschaftssteuer recht: Warum soll in einer Gesellschaft, in der der Staat jede Menge kostspieliger Leistungen finanzieren muss, gerade Erben steuerfrei bleiben? In angelsächsischen Ländern drängen selbst manche Milliardäre auf sehr hohe Steuersätze, weil sie ihren Nachkommen nichts schenken wollen.

Doch angesichts der vielen Bedenken haben sich viele Staaten für einen Zwischenweg entschieden - Erbschaftssteuern mit unterschiedlichen Sätzen und zahlreichen Ausnahmen. Gegen diese oft willkürlichen Regelungen legen sich die Verfassungsgerichte quer: In Österreich wurde 2007 die Besserstellung von Immobilien zu Recht aufgehoben, in Deutschland nun die Privilegien für Unternehmenserben. Angesichts der hohen Summen, um die es hier geht, ist im Nachbarland nun mit einer intensiven moral- und standortpolitischen Debatte übers Erben zu rechnen.

Das Thema ist deshalb jetzt so heiß, weil alle Staaten nach der Finanzkrise Einnahmen brauchen, die Zahl der großen Erbschaften in den kommenden Jahren stark steigen wird und auch dank des französischen Starökonomen Thomas Piketty jedem bewusst ist, wie viel das Erben zur wachsenden Ungleichheit in der Gesellschaft beiträgt. Die Forderung der SPÖ - 35 Prozent Erbschaftssteuer auf alle Vermögen über zehn Millionen Euro - könnte direkt aus Pikettys Feder stammen. Sie ist allerdings illusionär: Keine reiche Familie wird sich widerstandslos ein Drittel ihres Geldes wegnehmen lassen; und legale Wege der Steuervermeidung wird es immer geben, vor allem für die in Privatstiftungen geparkten Vermögen.

Einen pragmatischen Ausweg aus diesem Dilemma bieten Modelle, die eine einheitliche, relativ geringe Besteuerung aller Erbschaften ohne Ausnahmen vorsehen. Eine Abgabe von bis zu zehn Prozent ist auch für kleine Verlassenschaften, deren Empfänger unverhofft zu ihrem Glück kommen, vertretbar, ebenso eine auf alle geerbten Eigenheime. Es gibt weiters keinen Grund, Familienmitglieder gegenüber Nichtverwandten, die vielleicht jahrelang den Erblasser gepflegt haben, zu bevorzugen. Selbst Erben von kleinen Betrieben können sich eine moderate Abgabe - vorzugsweise über mehrere Jahre gestaffelt - leisten; andernfalls wäre die Firma nicht lebensfähig. Größere Unternehmen würden deshalb nicht auswandern; und auch eine Erbersatzsteuer von 0,3 Prozent im Jahr auf Privatstiftungen würde keine große Kapitalflucht auslösen.

Eine solche Steuer wäre kein großer Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Aber sie würde dem Staat zu dringend benötigten Einnahmen verhelfen, ohne dem Standort zu schaden. Und vielleicht könnte man die giftige Debatte ums Erben dann endlich ad acta legen. (Eric Frey, DER STANDARD, 18.12.2014)