Ehrlich gesagt war ich beruhigt, als mich Georg Berger mit großen Augen ansah: "Hm, also das ist bis jetzt an mir vorübergegangen." So was tut gut. Schließlich hatte ich mich das ganze letzte Jahr über doof gefühlt. Eben weil ich davon noch nie gehört hatte. Nicht bloß "nicht bewusst", sondern tatsächlich "nie". Obwohl ich mir eigentlich einbilde, von dem, was sich auf dem Lauffeld tut, zumindest peripher etwas mitzubekommen.

Aber vom Schneeschuhlaufen hatte ich halt echt nichts mitbekommen. Und auch meine laufende Mit- und Umwelt nicht. Aber da war dieses Mail. Schon letzten Winter: Die Agentur, die das nicht ganz unbekannte Skilabel K2 betreut, wollte mich auf einen Trend aufmerksam machen – Schneeschuhlaufen eben. Und weil da, wo Trend ist, auch Produkt stehen muss, gebe es spezielles Sportgerät. Ob ich mir das ansehen wolle?

Kommunikationsfehler?

Ich staunte. Und fragte in Ausdauersportagenden Bewandertere als mich um Rat. Doch: nada. Trainer, Athleten und Kollegen schüttelten die Köpfe. "Vermutlich der klassische Kommunikationsfehler zwischen Österreichern und Deutschen: Wo wir entspannt gehen, laufen die Piefke längst", war der gängigste Erklärungsversuch.

Bloß: Dieser Irrtum schied aus. Da war ausdrücklich von "Rennen" die Rede. Und einer Szene, für die es sogar Rennen gebe. An denen nähmen bis zu 5.000 Läuferinnen und Läufer teil. Deutschland, stand da, sei noch nicht ganz so weit, aber das Pflänzlein beginne zu sprießen. Hm.

Natürlich wollte ich die Sache probieren. Erstens aus Neugierde. Und zweitens, weil ich gerne im Schnee spiele. Drittens hatte ich Zweifel: Mit Schneeschuhen laufen stellte ich mir zaach vor: Kontemplativ durch verschneite Wälder wandern oder mit dem Snowboard am Rucksack (bevor Splitboards tatsächlich etwas konnten) irgendwo raufhirschen, war mit Schneeschuhen zwar fein, aber doch eher ein eher Schwerfälliges denn Wieselflinkes Unterfangen. Auch weil die Dinger - systemimanent - eine gewisse Mindestbreite haben, die Laufen nicht gerade begünstigt. Von Gewicht und dem in der Regel tiefen Boden war da noch gar keine Rede.

Blöderweise ging sich im Vorjahr der Selbstversuch nie aus: Meist lag zu wenig Schnee. Oder ich war zur falschen Zeit am falschen Ort. Heuer sollte es sich ausgehen: Für das Reiseressort des STANDARD besuchte ich das "Feuerberg Resort" auf der Gerlitzen in Kärnten. Viel Schnee lag da in der dritten Adventwoche zwar nicht - aber ein bisserl was würde doch gehen. Außerdem, schrieben mir die Hotel-Betreiber, gäbe es hier Georg Berger: Der sei - unter anderem - Schneeschuhwanderguide.

Foto: Thomas Rottenberg

Also bat ich die Agentur um Test-Leihschneeschuhe. Man schickte mir nicht nur zwei Paar "Atlas Race" ("Der Atlas Race ist der richtige Schneeschuh für alle, die im Wettkampf die letzten Zehntel herauslaufen möchten. Ausgestattet mit dem gleichen, leichten Bindungssystem wie der Atlas Run …, zählt dieser Schneeschuh zu den leichtesten seiner Klasse. Steigeisen mit Titanlegierung geben zusätzlichen Halt bei noch geringerem Gewicht" stand im Beipackzettel) - sondern auch Tipps & Grundsätzliches.

Das meiste war logisch - etwa, dass man ins Schwitzen kommen würde oder die Intensität des Trainings stärker als bei "normalem" Laufen sein: "Schneeschuh-Running bei frischem Pulverschnee ist der Belastung bei doppelter Geschwindigkeit auf dem Laufband gleichzusetzen. Dabei ist die Bewegung sanft und beansprucht die Gelenke deutlich weniger als beim klassischen Laufen." Dass die Schuhe leichter, schmäler und wendiger sein würden, als klassische Modelle war zu erwarten - und dass man eher ohne Stöcke unterwegs sein würde auch.

Foto: Thomas Rottenberg

Im Feuerberg Ressort sah mich Georg Berger dann erstaunt an: Obwohl er seit Jahren Schneesschuhwanderungen führt, lange Jahre Leistungssport betrieben hat, hochalpine Expeditionen im Kaukasus begleitet und derzeit auf der Gerlitzen gerade mit dem Nordpol-zum-Südpol-Läufer Robby Clemens für ebenjenes Projekt (unter anderem auch mit Schneeschuhen) trainiert, hatte auch er von Rennen & Trend noch nie gehört. Aber auch Berger war neugierig.

Die Schuhe entlockten ihm einen anerkennenden Pfiff: "Wahnsinnig leicht. Kleiner und schmäler als die, mit denen wir sonst unterwegs sind." Bindung und Halt am Schuh seien "erstklassig" - den Lakmustest setzte Berger aber anderswo an: Wir traversierten eine steile, nachts von der Pistenwalze planierte und dann vereiste Piste.

"Mit Gästen würde ich hier nie gehen: Entweder setzen sie den Schneeschuh nicht flach genug auf. Oder sie belasten das Sprunggelenk, weil sie flach aufsetzen - in beiden Fällen greift der Schuh nicht perfekt." Die Rennschuhe bestanden den Test mit Bravour: Da rutschte und wackelte nichts. "Wow. Das hätte ich nicht erwartet. Das sind echte High-Tech-Geräte."

Thomas Rottenberg

Beim Laufen selbst hatten wir dann beide Spaß. "Das geht ganz ausgezeichnet. Die Dinger sind leicht. Und man läuft damit tatsächlich fast so, als wären sie gar nicht da." Die Angst, dass wir uns selbst auf die Innenkanten steigen würden, erwies sich als unbegründet. Und bei steilen Aufwärts- und Abwärtspassagen war der Halt so stabil, als hätten wir Steigeisen an: Ich bewegte mich in den Steigungen ein bisserl skeptischer - Berger, fast jeden Tag auf Schneeschuhen unterwegs, war binnen Minuten mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit unterwegs.

Foto: Thomas Rottenberg

5.000 Starter in Norditalien

Was aber stimmt: Schneeschuhlaufen geht richtig rein. Schon bei lockerem Tempo schnalzte mein Puls ordentlich hinauf. Natürlich auch wegen der für mich ungewohnten Lauf-Höhe (das Feuerberg Resort liegt rund 1700 Meter über dem Meer) - aber doch auch wegen Schuhen & Boden: Auch Berger schnaufte nach ein paar Minuten recht ordentlich.

Ob es da wirklich so eine große Szene gäbe, fragte er mich zum Abschluss. Ich konnte nur aus der Aussendung der Hersteller zitieren: "In der Alpenregion, besonders in Norditalien, finden Schneeschuhrennen seit über 40 Jahren statt. In Deutschland ist die Szene noch recht jung, wächst jedoch stetig und schnell‘, freut sich Marcus Fink von Trail & Snow Running Germany e.V. Neben den großen Rennen wie beispielsweise der Ciaspolada in Norditalien mit mehr als 5.000 Startern und dem Silijan Snowshoefestival in Schweden, finden Läufer inzwischen auch in Deutschland Möglichkeiten, an den Start zu gehen – zum Beispiel beim Allgäu Vertical", stand da.

Berger nickte. Sichtlich beeindruckt. Aber so wirklich überzeugt, dass in drei oder fünf Jahren auch in Kärnten jeder wissen wird, was Schneeschuhlaufen ist, wirkte er nicht. Ich selbst habe da auch meine Zweifel, werde aber einen zweiten Versuch wagen: Sollte es, solange ich die Schuhe noch nicht zurückgeschickt habe, in oder um Wien je wieder richtig schneien, werde ich es noch einmal versuchen. Das zweite Paar wäre dafür übrigens noch verfügbar. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 18.12.2014)