Wien/Lima - Máxima Acuña de Chaupe wollte nicht verkaufen. Sie lebt mit ihrer siebenköpfigen Familie auf dem Anden-Hochplateau der peruanischen Region Cajamarca. Und sie lebt, wie 60 Prozent der Bevölkerung in dieser Gegend, vom Landbau.

Ihr vier Hektar großer Grundbesitz wird allerdings für eine Erweiterung der 260 Quadratkilometer großen Yanacocha-Goldmine benötigt. Doch Máxima Acuña lehnte das Kaufangebot des US-Konzerns Newmont Mining rundweg ab. Die Antwort war ein "Besuch" vom Minenpersonal - gemeinsam mit Polizisten in Uniform. Es gab Morddrohungen, es wurde geprügelt, ihr Vieh wurde geschlachtet oder weggebracht.

In der Folge erklärte der Minenbetreiber, das Land gehöre ihm - obwohl er im Gegensatz zu Chaupe keine Dokumente vorweisen konnte. Dennoch wurde das Opfer von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Der Angriff auf ihre Landwirtschaft wurde nicht geahndet, im Gegenteil: Máxima Acuña de Chaupe wurde im August dieses Jahres zu drei Jahren Haft und einer Entschädigung von umgerechnet 1900 Euro an den Minenkonzern verurteilt.

Diese Woche wurde sie nun in der Berufungsverhandlung durch das Höchstgericht freigesprochen: Die angebliche, von der Mine Yanacocha behauptete illegale Landaneignung konnte widerlegt werden, und die Familie Chaupe kann auf ihr Land zurückkehren.

Grafik: DER STANDARD

Polizisten "engagiert"

"Dass reguläre Polizisten bei dem Übergriff dabei waren, verwundert nicht", berichtet Emil Benesch vom Klimabündnis Österreich im Standard-Gespräch. Er hatte vergangenen Sommer im Rahmen des Europe-Aid-Projekts "From overconsumption to solidarity" mit einer Delegation und einem Menschenrechtsanwalt, der die Opfer der Goldproduktion vertritt, die Region besucht. "Es gibt eine Geheimvereinbarung, wonach das Bergbauunternehmen reguläre Polizisten für ,außerordentliche zusätzliche Dienstleistungen' engagieren kann - diese Vereinbarung wurde von der Gesellschaft für bedrohte Völker in der Schweiz dokumentiert", erläutert Benesch.

Der Fall von Máxima Acuña de Chaupe wurde zum Symbol des Widerstands gegen die Praktiken der Goldkonzerne in Peru. Und der wird immer massiver: "Ja zum Wasser! Nein zum Gold!" lautet der Slogan der Protestbewegung - doch die trifft auf massiven Widerstand. Bei einer Demonstration gegen das Goldabbauprojekt "Conga" in der Region Cajamarca im Herbst 2013 wurden 100 Landwirte inhaftiert und fünf erschossen. Laut Zeugenaussagen wurden die Kopfschüsse von einem Hubschrauber aus abgegeben.

In den vergangenen drei Jahren wurden bei Demonstrationen bereits 41 Menschen erschossen - doch ein peruanisches Gesetz sagt Polizisten, die im Dienst Zivilisten erschießen, Straffreiheit zu.

Das ist nur der Aushub der gewaltigen Yanacocha-Goldmine des US-Konzerns Newmont Mining in der Region Cajamarca. Täglich werden 544.000 Tonnen Gestein abgetragen - das Gold wird mit einem Zyanid-Wasser-Gemisch gelöst.
Foto: Walter Silvera

Gouverneur in U-Haft

Die Unterdrückung des Widerstands macht auch vor politischen Vertretern nicht halt: Der Gouverneur der Provinz Cajamarca, Gregorio Santos, ist ein deklarierter Gegner des Goldabbaus in dieser Form - und wurde seit 2011 von der Zentralregierung mit 38 Anzeigen eingedeckt. 35 wurden wieder fallengelassen - doch am 25. Juni dieses Jahres wurden über ihn 14 Monate Untersuchungshaft verhängt.

Zu all dem kommen aber auch noch massive Umweltbelastungen durch den Goldabbau, berichtet Emil Benesch weiter. Bei der Produktion im Tagebau wird doppelt so viel Land als die eigentliche Größe der Mine vernichtet: Denn das goldhaltige Gestein wird bis zu 660 Meter tief abgetragen - und dann in nationalparkwürdigen Gebirgsflächen der Anden aufgeschüttet. Bei der gewaltigen Yanacocha-Mine sind das rund 544.000 Tonnen Gestein pro Tag.

Zyanid-Wasser-Gemisch

Das Gold wird mit einem Zyanid-Wasser-Gemisch gelöst, wofür pro Stunde 250.000 Liter Wasser benötigt werden. Die Folge: In der Landeshauptstadt Cajamarca gibt es nur noch zwölf bis 14 Stunden Leitungswasser pro Tag.

Gleichzeitig werden Schwermetalle wie Arsen, Kadmium und Blei freigesetzt - sie sind auch noch in zehn Kilometern Entfernung nachweisbar. Nach 20 Jahren Betrieb wurden nun erstmals Untersuchungen durchgeführt - und es zeigte sich: Die rund 200.000 Einwohner der Stadt Cajamarca hatten über Jahre hinweg verseuchtes Wasser getrunken.

Seitens der Unternehmen und der Zentralregierung wird abgewiegelt. "Wir führen das Zyanid in einem geschlossenen Kreislauf. Das ist sicher. Wir halten uns an die Gesetze", wurde seitens des Yanacocha-Betreibers verlautbart. Wie die peruanischen Gesetze allerdings aussehen, zeigte sich diesen Sommer, als Perus Präsident Ollanta Humala ein neues Umweltgesetz unterschrieb: Damit wurden die Strafen bei Umweltvergehen deutlich reduziert, es wurde festgelegt, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen binnen 45 Tagen abzuschließen sind - und es wurde der Bergbau und die Erdölproduktion auch in Naturschutzgebieten erlaubt.

Goldminen im Tagebau verursachen nicht nur massive direkte Naturschäden – sie sind auch regelrechte Energiefresser: Allein die Yanacocha-Mine hat einen doppelt so hohen Energiebedarf wie die peruanische Stadt Trujillo mit 700.000 Einwohnern. Der Goldabbau in Peru ist daher ein Hauptgrund für den von der Zentralregierung geplanten Bau von 20 weiteren Amazonas-Kraftwerken - darunter auch Chelendin II mit einer Leistung von 600 MW. Dessen 175 Meter hohe Staumauer wird im Amazonastal einen 23 Kilometer langen künstlichen See entstehen lassen.

Faires Gold

Genau diese Zustände in der Goldproduktion waren es, die Alexander Skrein veranlasst hatten, seine Schmuckwerkstatt in der Wiener Innenstadt komplett auf faires Gold umzustellen. "Es läuft sehr gut - und ist Routine", bilanziert Skrein nun nach einem Jahr im Standard-Gespräch. Sein Ziel ist es, Aufklärung zu betreiben, Branchenkollegen zum Umstieg zu bewegen und ihnen seine Expertise anzubieten.

Derzeit wird ein Fachkongress vorbereitet mit dem Thema: Wie können Industrie, Wissenschaft und NGOs "Faires Gold" definieren? Wie sollten Maßnahmen, Regulierungen und Prüfmechanismen aussehen? Wobei Skrein im Grunde aber überzeugt ist: "Das fairste Gold ist das Recyclinggold." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 18.12.2014)