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Der Vergabeprozess bei neuen Domain-Endungen erhitzt die Gemüter.

Foto: DAPD/Hales

Als die ICANN (Internet Corporation for Assigned Namens and Numbers) bekanntgab, eine großflächige Reform des Internet-Adresswesen vornehmen zu wollen, war Streit programmiert: Wer die Rechte an einer Domain-Endung wie .xxx oder .music ergattern würde, könnte dazugehörige Adressen teuer verkaufen. Gleichzeitig wollte die ICANN auch politisch und religiös besetzte Wörter wie .gay und .islam freigeben. Der Vergabeprozess läuft seit Jahren, mittlerweile sind rund 2.000 Anträge eingegangen. Kritiker meinen nun, dass die gemeinnützige Organisation mit der Aufgabe überfordert ist – und sich von Profitgier und Vetternwirtschaft leiten lässt.

.kinder geht an Ferrero

So will die ICANN sehr viele Faktoren in die Vergabe einbeziehen. Ist die Endung eindeutig ein Markenname, der nicht aus dem allgemeinen Sprachschatz stammt, ist die Sache klar: Deshalb gab es keine Probleme bei der Freigabe von beispielsweise .bmw. Auch bei .spiegel, das sich der deutsche Verlag laut eigenen Angaben gesichert hat, gab es keine Mitbewerber. Schwieriger wird es, wenn der Name nicht durch die Marke kreiert wurde: So kritisierten viele Organisationen, dass Süßigkeitenhersteller Ferrero die Rechte an der Endung .kinder bekam. Begründet wurde das damit, dass Ferrero mit seiner Kinder-Reihe (Kinder Schokolade, Kinder Bueno …) seit Jahren das Wort besetze.

Französische Regierung schießt scharf

Dagegen argumentiert etwa der Deutsche Kinderschutzbund, dass ein Schoko-Hersteller nicht über alle Domains, die auf .kinder enden, entscheiden sollte. Ein ähnlicher Streit ergibt sich bei .vin und .wine, die an ein privates Unternehmen vergeben werden sollten. Hier legte die französische Regierung Einspruch gegen das Vergabeverfahren ein, da sie Kommerzialisierung und Verramschung des nationalen Kulturgetränks fürchtet. Im Gegenzug loben Internet-Politologen etwa, dass die ICANN sehr harte Kriterien bei der Vergabe von .med einsetzt. Bei .amazon wurde das Verfahren sogar ausgesetzt, da Länder der Amazonas-Region beklagt hatten, dass der US-Onlineversandhändler Rechte erlangen sollte.

Kontroversen

Die Meldungen lassen die ICANN unentschlossen, ja eigentlich überfordert erscheinen. So sprach sich die Organisation prinzipiell dafür aus, allgemeinere Domain-Endungen bevorzugt "Communitys" zukommen zu lassen. Allerdings wurde ausgerechnet bei der Endung .gay ein Unternehmen, das von zahlreichen LesBiSchwulen-NGOs unterstützt wurde, ausgebootet. Das Wort "gay" umschreibe die Zielgruppe nicht ausreichend, erklärte die ICANN laut "Spiegel". Jetzt wird die Endung vermutlich versteigert, zahlreiche Pornofirmen dürften sich um die Adresse reißen.

Streit um religiöse Endungen

Auch bei .catholic und .islam gibt es Kontroversen: Erstere Adressendung wird global vom Vatikan beansprucht. Dagegen legte ausgerechnet Saudi-Arabien Protest ein. Dem wurde zwar nicht stattgegeben, ein Vertragsabschluss mit dem Vatikan steht dennoch aus. Im Gegensatz dazu war .islam lange fix: Ein türkisches Unternehmen sollte den Zuschlag erhalten. Das passte wiederum den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht, weshalb das Unternehmen nun ein umfassendes Konzept ausarbeiten müsse. Bei anderen Domains wie .gmbh soll es zu Vetternwirtschaft gekommen sein, da etwa Google-Vorsitzender Eric Schmidt in einem Gremium zur Vergabe saß, obwohl sich Google selbst darum beworben hatte.

Hunderte Millionen Euro

Bis die massive "Landreform im Internet", wie der "Spiegel" die Vergabe nennt, fertiggestellt ist, dürfte es also noch lange dauern. Für die ICANN ist die Angelegenheit ein lohnendes Geschäft: Mehrere hundert Millionen Euro hat die Organisation bisher eingenommen, über die Verwendung der Gelder besteht Unklarheit. Die ICANN ist offiziell eine Non-Profit-Organisation, dass es bei der Vergabe um Geld gehe, streitet sie strikt ab. (fsc, derStandard.at, 17.12.2014)