Es gibt manche Steuerbegünstigungen, die niemand wirklich erklären kann. Die Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen ist so eine. Zehn Zuschläge im Monat sind bis zu einer Grenze von 86 Euro steuerfrei.

Das ist für den Einzelnen nicht viel, summiert sich aber für den Fiskus laut Bericht der Steuerreformkommission zu einer Gesamtsumme von 250 Millionen Euro im Jahr.

Dieses Steuerzuckerl sollte bei den Verhandlungen über eine Steuerreform eigentlich auf der Streichliste der SPÖ stehen. Schließlich fordern die Gewerkschaften schon seit Jahren eine Eindämmung von Überstunden, weil sie Arbeitsplätze kosten beziehungsweise die Schaffung neuer verhindern. Arbeitgeber mögen hingegen solche Mehrarbeit, die sich flexibler einsetzen lässt als zusätzliche Arbeitskräfte. Die Gewerkschaft möchte Unternehmen, die Überstunden anordnen, daher mit Zuschlägen bestrafen.

"Steuerreform nicht selbst bezahlen"

Die Steuerbegünstigung für Überstunden hat genau den gegenteiligen Effekt: Je bereitwilliger Arbeitnehmer mehr arbeiten, desto eher wird das auch geschehen. Aber statt dass die SPÖ nun die Chance nutzt und einwilligt, die Zuschläge genauso zu besteuern wie alle anderen Einkommensbestandteile, stellt sie auf stur.

Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm erklärt, eine Abschaffung der Begünstigung komme nicht infrage, denn "wir werden uns die Steuerreform nicht selbst bezahlen".

Das klingt plausibel, ist es aber nicht. Eine sinnvolle Steuerreform muss auch eine strukturelle Neuordnung des Steuersystems mit sich bringen, also ein Streichen von sinnlosen Ausnahmen. Muhm – und damit die SPÖ – will nur das Klientel der ÖVP belasten, also Spitzenverdiener, Unternehmer und Bauern.

Nicht nur ein Verteilungskampf

Das kann nicht funktionieren. Bei der Steuerreform kann es nicht nur um Verteilung und Umverteilung gehen, bei der man anderen etwas wegnimmt. Dem wird nicht nur die ÖVP nicht zustimmen. Wenn die SPÖ nicht bereit ist, irgendwelche Steuerausnahmen herzugeben, von denen Arbeitnehmer profitieren, dann wird weder das notwendige Volumen noch irgendein Effizienzgewinn zustande kommen.

Und bei der Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge könnte man – ebenso wie bei der gleichfalls unnötigen Steuerfreiheit für Nacht- und Sonntagsarbeit – beginnen. Sie bieten falsche Anreize und verhindern die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Nutznießer, die etwas verlieren, werden von der Senkung der Tarife entschädigt und dennoch besser aussteigen.

Die ÖVP wird sich bei der Erbschaftssteuer, bei Förderungen und auch bei Steuerausnahmen für Landwirte rühren müssen. Die Ernsthaftigkeit der Arbeitnehmerseite bei der Gestaltung der Steuerreform wird man im Gegenzug am Umgang mit diesen Zuschlägen messen können. (Eric Frey, derStandard.at, 17.12.2014)