Der Mann fällt auf. Erst recht unter der Sonne Floridas, wo man auch im Dezember am liebsten T-Shirts und Flip-Flops trägt. Damit kann Peter Marino nicht dienen. Er trägt von Kopf bis Fuß schwarzes Leder und ist über und über mit schwerem Silberschmuck behängt. Dem New Yorker Architekten, der wie kein anderer in den vergangenen Jahrzehnten definierte, was wir uns heute unter einer Luxusboutique vorstellen, ist im Bass Museum of Art in Miami Beach eine Ausstellung gewidmet. Wahrscheinlich wäre der Mann aber sowieso in der Stadt. Seit Andy Warhol seine Dienste in den 1970ern statt mit Geld mit Kunst bezahlte, ist Peter Marino ein großer Kunstsammler. Neben Werken von Warhol nennt der 65-Jährige u. a. eine ganze Reihe an Werken von Damien Hirst und Richard Prince sein Eigen.
Von Marinos Sammelbesessenheit erzählt auch die Ausstellung in Miami Beach. Da hängen die Anselm Kiefers neben den Mapplethorpes, da treffen römische Friese auf Skulpturen von Claude und François-Xavier Lalanne. Und dazwischen flimmern die Bildschirme, auf denen die Interieurs all der Chanel-, Dior-, Louis-Vuitton- und Armani-Boutiquen zu sehen sind. Auch wenn Marino jedem dieser (konkurrierenden) Luxushäuser über die Jahre hinweg eine eigene Shopidentität auf den Leib gezimmert hat: Am Ende ist eine Marino-Boutique immer als solche erkennbar.
Genauso wie die Orfeo ed Euridice-Privatopernaufführung im letzten Raum der Ausstellung wahrscheinlich Marinos Vorstellung eines Gesamtkunstwerks verdeutlichen soll, sind seine Architekturen ein Destillat seiner Kunstmanie. Selten hat man das Zusammenspiel unterschiedlicher Künste so eindrucksvoll in Szene gesetzt gesehen wie in dieser Ausstellung.
Pierre Paulin bei Louis Vuitton
Zusammenspiel könnte das Motto der heurigen Ausgabe der Design Miami sein. Die kleine Schwester der Art Basel bringt Anfang Dezember verlässlich einige der bedeutendsten Designgalerien in die Stadt. Interessanter sind aber meist die eigens für die Messe in Auftrag gegebenen Installationen und die Side-Events. Louis Vuitton präsentierte mitten in dem von einem radikalen Umbau geprägten Design District etwa den hierzulande wenig bekannten französischen Architekten Pierre Paulin.
Er hat 1972 für den Möbelhersteller Herman Miller ein modulares Einrichtungssystem entworfen, das allerdings nie in Produktion ging. Der Mensch gestaltet seinen Lebensraum selbst und nicht umgekehrt. Das eindrucksvollste Objekt: ein Teppich, der zu einer Wohnlandschaft, einem Sofa wird.
Gletscherschmelze bei Swarovski
Im Hauptausstellungszelt gleich neben dem Convention Center präsentiert traditionell Sponsor Swarovski eine neue Installation. In diesem Jahr ist sie in Zusammenarbeit mit der Architektin Jeanne Gang und dem Naturfotografen James Balog entstanden. Ihr Thema: das rasante Schmelzen der Gletscher. Mit dem Film Chasing Ice hat Balog schon vor Jahren ein aufrüttelndes Dokument vorgelegt, die Installation in Miami schlägt mit anderen Mitteln in dieselbe Kerbe. In einem Rundumpanorama flimmern Gletscherprojektionen über die Leinwand, während Jeanne Gang in der Raummitte ein amorphes Gebilde geschaffen hat, das die Erosion von Eis symbolisiert. In die entstandenen Löcher sind Kristalle eingearbeitet, der Boden wird von kristallbespickten Kanälen durchzogen.
Und Mischer'traxler? Das Wiener Designduo hat für das französische Champagnerhaus Perrier- Jouët eine wunderbar filigrane Installation aus Pflanzen und Pilzen geschaffen, die sich wie von Zauberhand gesteuert im lauen Lüfterl von Miami wiegen. Nähert man sich, sinken sie zu Boden, entfernt man sich, erwachen sie wieder zum Leben. Bei den Spiegeln an den Wänden ist es ähnlich: Auf ihnen wuchert der Bewuchs nur dann, wenn man ihnen nicht zu nahe kommt. Ansonsten ist man ganz auf sein Spiegelbild reduziert. Eine schöne Metapher für die Interaktion zwischen Mensch und Natur. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 19.12.2014)