Kampagne gegen Aktivistin Ćalović.

Foto: civilrightsdefenders

Es handelt sich offenbar um eine Montage. Seit Juni erscheinen regelmäßig Ausschnitte eines Videos in einer montenegrinischen Boulevardzeitung, die eine nackte Frau in einem Bett zeigt, vor ihr zwei Hunde. Auf dem Cover des "Informer" wird dazu immer wieder die Frage gestellt, ob es sich bei der Frau um die Direktorin der montenegrinischen NGO Mans, Vanja Ćalović handeln würde. „Ist sie das auf dem Porno-Film?“, wird da scheinheilig gefragt. Das Foto, das insinuiert, als hätte die Frau Sex mit den Hunden, wird dabei neben den Namen Ćalovićs gestellt. „Die Öffentlichkeit muss wissen, ob es sich bei der Aufnahme um Vanja Ćalović handelt“, so ein anderer Titel.

Kämpferin für Transparenz

Ćalović sitzt am Rande von Podgorica in dem Haus, in dem die NGO Mans untergebracht ist. Sie gilt seit Jahren als engagierte Kämpferin für Transparenz und gegen Korruption. Manche halten sie für die eigentliche Opposition. Sie gehört jedenfalls zu den bekanntesten Persönlichkeiten in dem Adria-Staat. Die 36-Jährige hat seit dem Beginn der Rufmordkampagne zehn Kilo abgenommen, ihre Wangen sind grau, sie hat Schlafschwierigkeiten. Manchmal hat sie Fluchtgedanken. „Wenn ich nicht so stur wäre, würde ich das Land verlassen“, sagt sie zum Standard. Ćalović weiß, dass genau dies das Ziel derer ist, die sie bekämpfen.

Der Kampf geht weiter. Ein anderer Titel des Informer zitierte den ehemaligen PR-Berater des ermordeten Premiers, Zoran Đinđić, Vladimir Beba Popović, der heute ein Institut für öffentliche Politik in Belgrad leitet. Auf dem Cover des Informer stand: „Popović: Auf dem Porno ist Vanja Ćalović“. Die Zeitung holte also den Spin-Doktor selbst als Beweisführer. Schon seit längerem ist in Serbien offensichtlich, dass der Kampagnen-Mann wieder in die Politik zurückgekehrt ist. Offiziell will er zwar nicht der Berater von Aleksandar Vučić sein, er fährt aber mit dem serbischen Premier schon mal nach Brüssel und räumt häufige „Kontakte“ zu ihm ein. Auch den montenegrinischen Premier Milo Ðukanović soll Popović angeblich in Medienfragen beraten. Der Informer wiederum gilt sowohl in Serbien als auch in Montenegro als regierungsnah.

Zeitung: "Wahrheit enthüllen"

Auf Anfrage des STANDARD, woher die Videoaufzeichnungen stammten, antwortet der Informer, dass diese im Internet verfügbar seien und die Zeitung niemals behauptet habe, dass Vanja Ćalović auf den Aufnahmen zu sehen sei. „Wir wissen nicht, ob dieses Video authentisch ist. Es ist in unserem, und ich denke in jedermanns Interesse, die ganze Wahrheit zu enthüllen und wir drängen die relevanten Behörden seit einem halben Jahr das gesamte Video und die gesamte Geschichte zu prüfen.“ Auf die Frage, weshalb der Informer entschieden habe, das Material überhaupt zu publizieren, antwortet die Zeitung: „Das ist eine Angelegenheit des Redaktionsgremiums.“

Während Ćalović also in aller Öffentlichkeit durch die Berichterstattung des Informer verdächtigt wird, Sex mit Hunden gehabt zu haben, tut das Blatt, das die Schmierenkampagne anführt, so, als wäre es um Aufklärung bemüht.

Wenn man Frau Ćalovićs Geschichte hört, könnte man glauben, man befände sich in Zentralasien, nicht aber in einem europäischen Staat, der mit der EU Verhandlungen führt. „Es ist sehr schwer damit umzugehen. Wie soll ich das machen, ohne auf deren Niveau der Diskussion zu gehen? Ich muss weiter arbeiten“, sagt Ćalović.

Teil zwei

Die zweite Auflage der Rufmordkampagne habe ein paar Tage nach dem Herauskommen des EU-Fortschrittsberichts am 8. Oktober begonnen, erzählt Ćalović. In dem Bericht wurden die fehlende Anti-Korruptionsmaßnahmen der Regierung kritisiert. Ćalović hatte sich zuletzt für das neue Gesetz zu Wahlkampagnen engagiert und beschrieben, wie es in Montenegro bisher möglich war, über Subventionen, Leute vor den Wahlen zu „kaufen“. So seien etwa in manchen Gemeinden die Sozialhilfen kurz vor dem Urnengang um 20 Prozent höher gewesen. „Es ging darum Bürger zu schmieren, indem man staatliche Mittel verwendete“, erklärt sie. Die Regierungspartei DPS war gegen das neue Gesetz zu den Wahlkampagnen. Dieses Gesetz sah vor, dass man vor den Wahlen, keine kurzzeitige Jobs ausschreiben darf. Das Gesetz wurde auf Antrag der DPS vom Verfassungsgerichtshof gekippt.

Als die Rufmordkampagne begann, bekam Ćalović Unterstützung von der EU-Delegation, der amerikanischen Botschaft in Podgorica, vom Europarat und von der OSZE-Medienbeauftragten Dunja Mijatović. Diese zeigte sich „entsetzt“ über die Kampagne des Informer. „Ich hoffe, dass wir die Verurteilung von so einem Journalismus hören werden, wenn wir das überhaupt Journalismus nennen können“, so Mijatović.

Anzeige wegen Verleumdung

Monate später steht nun aber nicht der Informer vor Gericht - Ćalović will nicht klagen, weil sie Angst hat, dann noch ein paar Monate lang auf dem Cover aufzutauchen - sondern Ćalović selbst. Sie wurde von Vladimir Popović wegen Verleumdung angezeigt. Jenem Mann also, der auf dem Cover des Informer die Behauptung aufstellte, Aufnahmen der Frau mit den Hunden sei Ćalović. Ćalović hatte Popović für die Veröffentlichung des Videos im Internet verantwortlich gemacht.

Popović selbst behauptet, er habe nichts mit dem Video zu tun, sagte aber, er würde froh sein, dieses zu teilen, „wann auch immer ich die Chance dazu habe“. Ćalović würde sich immerhin als „moralische Säule“ darstellen, meinte er schadenfroh. Popović behauptet nicht, dass er das Video niemals weiter gesandt hat. Dies sei aber erst nach seiner Veröffentlichung geschehen, so der Kläger. Am Mittwoch fand die erste Verhandlung in dem Fall in Podgorica statt, die nächste folgt im Februar. Laut dem österreichischen Firmenbuch ist Popović übrigens auch in Wien aktiv. Seit 2003 ist er demnach Geschäftsführer bei der Eastern Market Consult Werbe Ges.m.b.H., die im ersten Wiener Gemeindebezirk gemeldet ist.

Montenegrinische Ableger

Der Informer ist eigentlich ein serbisches Revolverblatt. Der montenegrinische Ableger des Blattes ist seit 10. März 2014 auf dem Markt. Sein alleiniger Eigentümer sei Dragan Vučićević, so die Information der Zeitung. Wie viele Ausgaben verkauft würden, wolle man nicht sagen - Geschäftsgeheimnis. „Aber Informer Montenegro ist die bestverkaufteste montenegrinische Boulevardzeitung.“ Befragt nach dem Verhältnis des Informer zu Popović, antwortet die Zeitung dem Standard: „In unserer Eigentumsstruktur haben wir keine Person die Vladimir Popović genannt wird.“ So unbekannt ist der Mann, den man am eigenen Cover zitierte, aber dann doch wieder nicht.

Popović hatte im Juni in der TV-Sendung „Utisak nedelje“ (Eindrücke der Woche) öffentlich auf die Frage, ob er die Zeitung Informer in Montenegro kontrolliere, geantwortet: "Denken Sie, dass ich der Regierung angehöre? Ich bin nicht die Regierung. Es ist ihre (Zeitung), die von der Regierung. Informer in Serbien ist auch die von der Regierung.“ Informer will diese Einschätzung nicht teilen. „Wir denken, dass die Art wie Sie diese Aussage verstanden haben, falsch ist“, schreibt Informer dem Standard. Auf die Frage welche Beziehung die Zeitung zu Regierung habe, schreibt der Informer: „Informer Montenegro hat eine kritische Haltung gegenüber der Regierung wie alle professionellen Medien.“

Nacktfotos aus dem Urlaub

Die Zeitung Informer führte in Montenegro übrigens auch eine Kampagne gegen den ehemaligen deutschen Botschafter Pius Fischer. Besonders brutal war die Kampagne gegen den albanischen Premier Edi Rama: Das Blatt zeigte Nacktfotos aus dem Urlaub Ramas und schrieb darunter: „Der Perverse entreißt den Kosovo“. Nachdem Besuch Ramas in Belgrad, titelte die Zeitung: „Der Albaner ohne Scham“. Nach dem Fußballspiel zwischen Albanien und Serbien, das wegen Ausschreitungen von serbischen Fans abgebrochen werden musste, titelte die Zeitung „Albanische Schweinereien“.

"Das nächste Mal, wenn jemand was Kritisches sagt, ist er nackt mit einem Tier auf der Titelseite“, beschreibt der Direktor der regierungskritischen Zeitung Vijesti, Željko Ivanović die Kampagnen. In ganz Südosteuropa ist die Medienlandschaft zwischen regierungsnahen Medien oder Medien, die bestimmten Parteien nahe stehen gespannt. Aber in keinem anderen Land ist die Auseinandersetzung zwischen der Regierung und regierungskritischen Medien so aggressiv wie in Montenegro. Vijesti ist nicht Teil des Selbstkontrollgremiums mancher Zeitungen, zu diesem gehören nur regierungsfreundliche Blätter. „Das Selbstkontrollgremium beschützt diese Medien“, so Ivanović. Andererseits kämen nur regierungskritische Blätter unter Beschuss. So wurde Vijesti etwa wegen angeblicher Steuerhinterziehung untersucht, doch es wurde nichts gefunden. (Adelheid Wölfl aus Podgorica, DER STANDARD, 17.12.2014; Langfassung)