In der Sinnkrise: Tobias Moretti als trauriger Vampir.

Foto: Thimfilm

Wien - Wien und Sigmund Freud, das hat sich wohl schon David Cronenberg bei Eine dunkle Begierde gedacht, bietet einem Filmemacher einfach mehr Möglichkeiten als das Wien von heute. Hat man Freud und seine Couch dabei, kann man ganz unverkrampft allerlei psychologisierende Volten in den Plot schmuggeln. Und der morbide Charme des noch nicht ganz republikanisierten Ex-Kaiserreiches, das im Gaslicht schimmernde Kopfsteinpflaster - wer braucht da noch eine Begegnungszone?

Womit man bei David Ruehms Der Vampir auf der Couch wäre, in dem dieses düstere Wien, in dem es nie ganz hell wird, mehr als nur Kulisse, fast schon Ensemblemitglied wird. Der titelgebende Vampir, gespielt von Tobias Moretti, ist zwar schon lange auf der Welt, zum Glück ereilt ihn ein elementares Problem aber erst zu jener Zeit, als es bereits Sigmund Freud (Karl Fischer) und die noch junge Psychoanalyse gibt. Praktischerweise wohnt er auch noch in nächster Nähe - in einer herrschaftlichen Villa am Kahlenberg.

Moretti ist als Graf Geza von Közsnöm nicht nur ausgebrannt und ohne Blutdurst, er hat auch ein Eheproblem: "Mehr noch als alles andere belastet mich die Gegenwart meiner Frau. Wir sind zu lange zusammen." Jeanette Hain ist als eitle und reichlich egozentrische Gräfin Elsa tatsächlich schwer auszuhalten, leidet ihrerseits aber ebenfalls unter einem schweren Los: Sie kann sich nicht sehen. Es entspinnen sich in der Folge allerlei zufällige Begegnungen und Verwicklungen, in deren Verlauf das Vampirpaar mit einem jungen Maler (Dominic Oley) und dessen hübscher Freundin (Cornelia Ivancan) zusammentrifft, welche den Grafen leidigerweise sehr an seine längst verblichene Liebe Nadila gemahnt. Die Dialoge sind halsbrecherisch: "Sie kann nicht sein, was sie war, denn sie war nicht das, was sie ist." - "Was sollte sie denn sein, was sie nicht war?" - "Das wird sie sehen, wenn sie wieder so ist, wie sie war. Dann kann sie werden, was sie ist, aber nicht war." So wird nur zu deutlich, dass es vor allem um das erste Gebot geht: Du sollst dir kein Bild machen. Und darum, dass sich hier alle ständig trotzdem (auch im Wortsinne) Bilder voneinander machen.

Was im Kleide eines Vampirfilmes daherkommt, ist mehr Screwball-Komödie als Horror. Entsprechend spritzt das Blut (wenn es nicht ohnehin aus dem Flachmann kommt) eher wie Pflaumenkompott, erinnern die an Wänden hochkletternden Vampire an Gameboyspiele aus den 1990ern. Dafür sind die geschliffenen Dialoge oft ein reines Vergnügen, und namentlich Tobias Moretti als Graf von Közsnöm ist schon sehenswert genug als elitärer, selbstmitleidiger, ein bisschen einfältiger und sehr komischer Adeliger. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 17.12.2014)