Klagenfurt - Ein Schulkind aus Klagenfurt ist laut einem Bericht der "Kleinen Zeitung" (Dienstag-Ausgabe) mit Hexachlorbenzol belastet. Die Eltern ließen eine Blutprobe ihrer Tochter von einem medizinischen Labor in Bremen untersuchen, dabei wurden 0,41 Mikrogramm HCB je Liter gefunden. Der Referenzwert für Neun- bis Elfjährige beträgt laut dem Labor 0,3 Mikrogramm.

Der Vater will laut Zeitung "auf keinen Fall Panik verbreiten", sondern in erster Linie aufzeigen, dass man sich selbst und unabhängig informieren könne. Der Messwert habe ihn aber doch einigermaßen überrascht, "das war heftig". Die Gesundheitsmedizinerin des Landes Kärnten, Barbara Kohlweg, erklärte auf APA-Anfrage, sie könne zu dem Messwert keine konkrete Risikoeinschätzung vornehmen. "Dafür habe ich viel zu wenig Informationen, so müsste man auch die Blutfettwerte des Kindes und einige weitere Parameter kennen, um das einordnen zu können." Kohlweg meinte, sie kenne auch das Labor nicht, auf das sich der Zeitungsbericht beziehe, sie habe deshalb auch schon Kontakt zum Umweltbundesamt aufgenommen.

Auffallend niedriger Preis

Auffallend ist der niedrige Preis der Untersuchung. Laut dem Klagenfurter hat die Blutanalyse auf HCB inklusive Versand lediglich 70 Euro gekostet. Hierzulande werden für eine Blutuntersuchung, wie sie den Menschen im Görtschitztal angeboten wird, etwa 450 Euro veranschlagt. Unklar ist vorerst auch, woher der vom Labor zitierte Referenzwert stammt und auf welchen Berechnungen er beruht.

Die Umweltorganisationen Global 2000 und Greenpeace werfen unterdessen der AGES, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Mängel bei der Risikoabschätzung in Sachen HCB vor. "Die AGES-Risikobewertung verstößt sowohl in der Methodik als auch in der Interpretation der Ergebnisse gegen die in der EU üblichen Standards und weist zudem inakzeptable Fehler auf", erklärte Global-2000-Chemiker Helmut Burtscher am Dienstag in einer Aussendung. Die AGES habe Richtwerte der amerikanischen Agentur für toxische Substanzen und Erkrankungsregister (ATSDR) als Berechnungsgrundlage herangezogen, welche den österreichischen Wert zur "täglich duldbaren Aufnahme" (TDA) um das Zehnfache und die Akute Referenzdosis (ARfD) sogar um das 800-Fache überschritten. Die AGES kam in der am Freitag veröffentlichen Risikobewertung zu dem Schluss, dass für die Bevölkerung im Görtschitztal keine Gesundheitsgefährdung bestand.

Wietersdorfer Zementwerke verlieren Genehmigung

Die Kärntner Landesregierung respektive Landesrat Rolf Holub (Grüne) hat unterdessen den Wietersdorfer Zementwerken per Bescheid die Genehmigung für die Verarbeitung von belastetem Blaukalk entzogen. Die Regierung beschloss zudem am Dienstag eine Resolution an die Bundesregierung, in der stärkere behördliche Kontrollen und strengere Grenzwerte gefordert werden, nicht nur in Bezug auf Hexachlorbenzol.

Der Bescheid der Landesregierung umfasst laut Holub im Wesentlichen den Entzug der sogenannten Schlüsselnummer. "Diese beinhaltet die Genehmigung, wenn sie weg ist, dürfen die Wietersdorfer auch keinen Blaukalk mehr verbrennen." Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) wies darauf hin, dass das Umweltministerium "keine ausreichende Grundlage" für die Untersagung der Blaukalk-Verwertung gesehen habe. "Das geht nur, wenn Gefahr in Verzug ist, und die sehen die Gefahr als nicht gegeben", so Holub.

Das Umwelterium wies diese Vorwürfe in einer Aussendung zurück. Es habe zum Plan der Kärntner Landesregierung, den Wietersdorfer Zementwerken die Genehmigung zu entziehen, keine offizielle Stellungnahme gegeben. Ein Beamter des Umweltministeriums sei lediglich telefonisch um seine juristische Einschätzung ersucht worden und habe die rechtlichen Fragen erörtert. Das heiße nicht, wie bei einer Pressekonferenz behauptet, dass das Umweltministerium generell keine Gefahr sieht. minis

Holub rechnet mit Berufung

Holub rechne damit, dass das betroffene Unternehmen gegen den Bescheid berufen wird. Die Berufung habe aber keine aufschiebende Wirkung. "Blaukalk wird im Görtschitztal nur noch über meine Leiche verbrannt", so der Umweltreferent.

Einstimmig beschlossen wurde der angekündigte Überbrückungsfonds für die von HCB betroffene Bevölkerung. Dotiert wurde er vorläufig mit einer Million Euro. Das Geld kommt aus Kreditresten und -übertragungen, prozentuell haben sich alle Referate in gleichem Ausmaß beteiligt. Damit will man sicherstellen, dass "nicht für jede Hilfsmaßnahme ein Regierungsbeschluss gefasst werden muss", so Kaiser. Nun werden Richtlinien ausgearbeitet, nach denen unbürokratische Unterstützung für Betroffene erfolgen kann. Nicht ganz so einig war die Regierung bei der Resolution, hier stimmten die Landesräte Christian Ragger (FPÖ) und Gerhard Köfer (Team Stronach) dagegen.

Die Landesamtsdirektion wurde zudem damit beauftragt, eine rechtliche Bewertung der Situation durchzuführen, sagte Kaiser. Darin soll abgeklärt werden, welche Rechtsfolgen entstehen können, wie mögliche Regressforderungen sicherzustellen sind. "Wir brauchen eine Gesamtbeurteilung der juristischen Lage."

Parallel zur Regierungssitzung fand im Kärntner Landtag die erste nicht öffentliche Sitzung des HCB-U-Ausschusses statt. Die Abgeordneten einigten sich auf den früheren Leitenden Staatsanwalt Dietmar Pacheiner als unabhängigen Rechtsbeistand. Es ist bereits der dritte Kärntner U-Ausschuss, den Pacheiner juristisch berät. "Seine kompetente Arbeit ist unumstritten", sagte Ausschuss-Vorsitzender Wilhelm Korak (BZÖ) zur APA. Zudem wurde der weitere, straffe Fahrplan das Ausschusses festgelegt.

Bereits am Freitag treffen sich die Abgeordneten wieder im Landhaus, um die entsprechenden Beweismittelanträge zu beschließen. "Es ist wichtig, dass wir noch vor Weihnachten alle notwendigen Unterlagen anfordern", sagte Korak. Anfang Jänner soll eine weitere interne Sitzung folgen, ehe Ende Jänner die erst öffentliche U-Ausschusssitzung abgehalten wird. "Alle Beteiligten vermitteln den Eindruck, schnell und zügig arbeiten zu wollen. Gesundheit hat halt kein politisches Mascherl", erklärte Korak. (APA, 16.12.2014)