Wien/Zürich - Der "Neuen Zürcher Zeitung" bleibt vorerst ein Machtkampf zwischen Redaktion und Verwaltungsrat erspart: Markus Somm wird nicht Chefredakteur des Schweizer Traditionsblatts.
Somm bestätigte, dass es Gespräche um die redaktionelle Leitung der NZZ gegeben hatte, via Medienmitteilung winkte er allerdings ab. Er werde sich nach "reiflicher Überlegung" auch künftig auf seine Ausgabe als Chefredakteur und Verleger der "Basler Zeitung" konzentrieren.
Nachfolger für Spillmann gesucht
Somm sollte als Nachfolger für den letzte Woche überraschend abgelösten Markus Spillmann installiert werden. Spillmann war seit 1. April 2006 Chefredakteur der Schweizer Qualitätszeitung. Er musste aufgrund von "unterschiedlichen Vorstellungen" mit dem Verwaltungsrat des NZZ-Konzerns gehen.
Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod möchte die "NZZ" laut Medienberichten auf einen "strammeren politischen Kurs" bringen. Als Steuermann war Somm vorgesehen. Er bleibt aber Chefredakteur und Gesellschafter bei SVP-Mann Christoph Blochers "Basler Zeitung".
Ressortleiter drohten mit Rücktritt
Die Redaktion reagierte zuvor mit offenem Widerstand. "Einen 'Freisinn blocherscher Prägung' gibt es nicht", war am Wochenende etwa in einem NZZ-Kommentar zu lesen. Die Redaktion der Zeitung wies zugleich auf das Redaktionsstatut hin, wonach sie bei einem Chefredakteurswechsel angehört werden muss. Darüber hinaus sollen mehrere Ressortleiter und Journalisten mit Kündigung gedroht haben, falls Somm zum Chefredakteur bestellt und die NZZ mit ihrer Berichterstattung ins publizistische Lager Blochers getrieben werden sollte.
Der scheidende Chefredakteur Spillmann schrieb via Twitter "Liebe Followers: @SpillmannNZZ schweigt - ohne zu geniessen. Bin stolz, dass Red. unbeirrt beste Qualität liefert. Respekt! Weiter so!" Und die Online-NZZ titelte ihre Twitter-Schau mit dem Slogan "Für eine #liberaleNZZ ohne #Somm und #Blochusconi!". Der SVP-Politiker und Unternehmer sah sich am Wochenende zum Dementi veranlasst. Er plane keinen Einstieg bei der NZZ, ließ Blocher wissen, auch eine Kooperation zwischen "Basler Zeitung" und NZZ-Gruppe schloss er aus. Am Montag folgte schließlich die Absage Somms.
Die Suche nach einem neuen NZZ-Chefredakteur geht nun weiter. Am Dienstag tagt der Verwaltungsrat in der Causa mit den Ressortleitern der Redaktion. Bis die Nachfolge Spillmanns definitiv geklärt ist, wird die NZZ interimistisch von den stellvertretenden Chefredakteuren René Zeller, Luzi Bernet und Colette Gradwohl geführt.
Absage
Laut "Spiegel" sollte Matthias Müller Blumencron, ehemaliger Chefredakteur des "Spiegel" und heute Digitalchef der "Frankfurter Allgemeinen", publizistischer Leiter im NZZ-Konzern werden. Das war Markus Spillmann bisher neben der Funktion als NZZ-Chefredakteur.
Die NZZ-Mediengruppe will die beiden Funktionen nun trennen. Müller Blumencron soll allerdings abgewunken haben. (red, APA, derStandard.at, 15.12.2014)