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Nicht nur zur Weihnachtszeit: Gewerkschaft gegen Amazon.

Foto: apa/epa/Uwe Zucchi

Wien - Es ist ein Kräftemessen der Giganten. Seit drei Jahren ringt die deutsche Gewerkschaft Verdi mit dem weltgrößten Online-Versandhändler Amazon um mehr Rechte und Geld für seine Beschäftigten. Kurz vor Weihnachten breitet sich nun die nächste Welle an Streiks in Deutschland aus. Es ist die mittlerweile achte seit Mai 2013.

Drei Tage sollen die Arbeitsniederlegungen diesmal dauern, fünf Standorte in Deutschland sind betroffen. Los geht es in der größten Amazon-Niederlassung im hessischen Bad Hersfeld. Leipzig, Graben, Rheinberg und Werne folgen.

Die Gewerkschaft will den Konzern damit an den Verhandlungstisch zwingen. Neue Tarifverträge sollen für die deutschlandweit gut 10.000 Mitarbeiter erarbeitet werden - und zwar zu den Bedingungen des Einzelhandels mit seinen höheren Gehältern und Schutzregeln rund um Arbeitszeiten und Urlaube. Amazon gibt sich davon unbeeindruckt: Man sieht sich als Logistiker und schaltet auf stur.

"Wir liefern zuverlässig", ließen die Amerikaner gestern, Montag, über eine Unternehmenssprecherin ausrichten. Auf der Homepage des Onlineriesen spielt es die heile Welt. Fesche junge Mitarbeiter gewähren in Videoporträts einen Blick hinter die Kulissen während der betriebsamsten Zeit des Jahres. Von kostenlosen Schulungen, Spaß bei der Arbeit und tollem Betriebsklima ist die Rede. "Wie der Weihnachtsmann" will sich da die eine oder andere Packerin gefühlt haben, manche tanzen gar bei der Arbeit, während ihre Kollegin von zarten Liebesbanden erzählt, die sie in den Lagerhallen knüpfte.

Amazon selbst sieht nur eine Minderheit der Belegschaft unter den Streikenden. Für Weihnachten wurden für die neun Warenlager in Deutschland gut 10.000 zusätzliche Aushilfskräfte angeheuert. Vor allem aber läuft der Versand aus Polen auf vollen Touren. Drei Logistikzentren hat der Konzern vorsorglich im Herbst in Poznan und Wroclaw eröffnet und mit 4500 ständigen Beschäftigten ausgestattet, deren Zahl im Dezember noch einmal um 3000 aufgestockt wurde. Ganz Europa wird von dort aus beliefert. Knapp mehr als drei Euro verdient ein polnischer Packer im Schnitt in der Stunde. Mit rund zehn Euro geht sein Kollege in Deutschland nach Hause.

"An einer Weggabelung"

Dass die Streiks Lieferengpässe bewirken, bezweifelt Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des österreichischen Handelsverbands. Er sieht im Konflikt des US-Konzerns mit der Gewerkschaft brisante Folgen für die gesamte Kollektivvertrags-Landschaft in Europa, sagt er dem Standard. Wieso sollten etwa Logistiker anders behandelt werden als Handelsmitarbeiter? "Das KV-System insgesamt wird infrage gestellt. Wir stehen an einer Weggabelung." (vk, DER STANDARD, 16.12.2014)