SPÖ-Rebellin Eva Maltschnig will ihre Partei von unten verändern - mit engagierten jungen Leuten in einer Sektion, die inner- und außerhalb der Partei Themen kampagnisiert und unbequeme Fragen stellt.

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STANDARD: Was macht eigentlich die Sektion 8 anders als andere Sektionen der SPÖ?

Maltschnig: Wir bemühen uns darum, sozialdemokratisches Terrain in der Gesellschaft zu erweitern. Uns geht es nicht darum, Funktionen zu erringen, sondern wir überlegen, welche Themen für die Sozialdemokratie wichtig wären, und versuchen, diese zu kampagnisieren. Deshalb haben wir die Kampagne gegen das "kleine Glücksspiel" gemacht - die nun erfolgreich war, weil die Automaten endlich aus der Stadt kommen.

STANDARD: Wie ist dieses Thema aufgekommen?

Maltschnig: Wir haben überlegt, welches kommunalpolitische Thema unter den Nägeln brennt. Und da braucht man nicht lange zu schauen, wenn man sieht, wie die Spielautomaten ganze Grätzel in den Niedergang treiben, etwa entlang der Reinprechtsdorfer Straße. Das ist ein Thema, das man auf Landesebene lösen kann.

STANDARD: Moment: Die Reinprechtsdorfer Straße liegt im 5. Bezirk - Ihre Sektion 8 aber ist im 9. Bezirk beheimatet. Haben Sie da einer anderen Sektion dreingepfuscht?

Maltschnig: Wir beschränken uns nicht auf den 9. Bezirk. Das ist eine Spezialität von unserer Sektion, dass wir meinen, dass uns jede Art von Politik angeht, nicht nur die, die in dem einen Bezirk stattfindet.

STANDARD: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sektionstreffen der SPÖ erweiterte Mitgliederversammlungen des Pensionistenverbands sind.

Maltschnig: (lacht) Genau deshalb wollen wir ja ganz anders sein. Die SPÖ braucht eine Re-Politisierung ihrer Mitglieder - bis zu den höchsten Funktionärinnen und Funktionären der Partei. Wir sind jünger als die durchschnittliche SPÖ-Sektion. Und das ist gut so - ohne dass wir deswegen eine Jugendorganisation wären. Bei uns gibt es einen Grund, warum man hinkommt. Eine Partei macht ja nur Sinn, wenn man einen Grund hat, sich dort zu engagieren.

STANDARD: Wie ist es gelungen, dass man eine SPÖ-Sektion verjüngt?

Maltschnig: Wichtig war, dass wir mit einem Stock junger Leute begonnen haben. Das war zur Zeit der Regierungsbildung durch Alfred Gusenbauer 2006, wo bei der Regierungserklärung schon klar war, dass überhaupt nicht gelungen ist, das zum Programm zu machen, was man im Wahlkampf versprochen hat. Für uns war klar: Die SPÖ ist wirklich am Sand. Da haben wir uns gefragt: Wie kann man eine Kultur schaffen, in der die Leute verantwortlich sind für das, was sie tun; wo man klarstellt, was man in einer Regierung macht und wo man nicht mehr mitgeht? Und da ist uns die Idee gekommen: Wir versuchen es mit der kleinsten Einheit der Partei.

STANDARD: Also haben Sie eine Sektion gegründet?

Maltschnig: Die 8. Sektion des 9. Bezirks hat es schon gegeben - sie war mit einer anderen Sektion zusammengelegt. Wir hatten die Möglichkeit, diese Sektion neu zu beleben, gezielt beizutreten, um etwas zu verändern. Uns kann keiner etwas vorschreiben, uns kann keiner auflösen.

STANDARD: Sie haben die politische Verantwortung angesprochen. Wer ist in einer Partei, konkret: wer ist in der SPÖ wem verantwortlich?

Maltschnig: Die Leute, die gewählt sind, sind denen, die sie wählen, verantwortlich - die Vorsitzenden und Vorstände den Delegierten, die sie wählen. Denken Sie an das Mandat von Barbara Prammer, das eigentlich der Sonja Ablinger zufallen sollte. Da ist ein Beschluss gefasst worden, und man hat die Verantwortung total diffus von sich geschoben. Wir haben jeden Einzelnen angeschrieben: "Liebe Genossin, lieber Genosse - warum stimmst du für einen Mann?" So haben wir auf Verantwortung hingewiesen. Da sind teilweise recht spannende Antworten gekommen, die kann man auf unserem Blog nachlesen.

STANDARD: Es kommt also darauf an, die Partei zu verändern?

Maltschnig: Ein Teil unserer Kampagnen richtet sich an die Partei. 2013 haben wir eine Kampagne zum Bankgeheimnis gemacht - da war uns wichtig, dass auch in der SPÖ bewusst wird, dass es da nicht um die Oma mit dem Sparbuch geht, sondern um Steuerhinterziehung. Mit anderen Fragen gehen wir an die Öffentlichkeit, mit Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, mit Fragen der Steuergerechtigkeit.

STANDARD: Was kann man in der Gesellschaft verändern, wenn man keine Mehrheit dafür hat?

Maltschnig: Es ist ein Missverständnis, dass Politik nur auf der Regierungsbank passiert. Da hat die Haider-FPÖ gezeigt, wie man aus der Opposition heraus die Regierung vor sich hertreiben kann - im Falle Haider in der Asyl- und Fremdengesetzgebung.

STANDARD: Aber Sie sagen jetzt nicht, dass Haider Ihr Vorbild ist?

Maltschnig: Natürlich nicht! Aber man kann sehen, dass Opposition nicht machtlos ist. Man braucht gesellschaftliche Bündnisse.

STANDARD: Der Bundeskanzler erklärt dauernd, dass man in einer Koalition nicht alles durchsetzen kann.

Maltschnig: Einverstanden. Aber es gibt einen Mittelweg zwischen "keine Führung haben" und Autokratie - und der heißt partizipative Führung. Man muss sich fragen, was man machen muss, damit es sich auszahlt, in eine Koalition zu gehen. Die SPD hat die deutsche Koalition einer Urabstimmung unterzogen, das hätten wir uns auch gewünscht.

STANDARD: Was derzeit im Regierungsprogramm steht, reicht Ihnen nicht?

Maltschnig: Da stehen ein paar gute Überschriften drinnen, aber der Hund steckt im Detail. Bei der Überschrift "Steuerreform" macht dieses Detail Milliardenbeträge aus. Man kann sich darauf einigen, wer das Geld bekommen soll, aber nicht, wer es zahlen soll.

STANDARD: Die SPÖ will Kinder, die Vermögen erben, mit 25 Prozent aufwärts besteuern.

Maltschnig: Um Unternehmerkinder mache ich mir keine Sorgen.

STANDARD: Sondern um wen?

Maltschnig: Etwa um 400.000 Arbeitslose. Der Markt räumt dieses Angebot nicht, also sollte man nach 30 Jahren endlich wieder an Arbeitszeitverkürzung denken.

STANDARD: Klingt ein bisschen nach dem vor 26 Jahren verstorbenen Sozialminister Alfred Dallinger.

Maltschnig: Warum nicht? Auch über die von ihm vorgeschlagene Wertschöpfungsabgabe denkt heute kaum jemand nach. Dabei wäre das eine spannende Diskussion, die ich mir für das Grundsatzprogramm wünschen würde. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 15.12.2014)