Blickfang und Stressfaktor: Urs Fischers Installation gehörte zu den gefragtesten Selfie-Motiven. Die Mitarbeiter der Galerie Sadie Coles (London) hatten damit ihre liebe Not und versuchten etwaigen "Körperkontakt" der Besucher mit den limettengrünen Keramik-Regentropfen zu verhindern.

Foto: Art Basel Miami Beach

Dass sich Leonardo DiCaprio oder Rapper Sean "Diddy" Combs am Stand der Galerie Sadie Coles (London) während der VIP-Preview ebenso einen Rüffel einhandelten wie die Besucher an den Folgetagen, gilt zu bezweifeln. 1080 limettengrüne Keramik-Regentropfen baumelten über der Koje vom Plafond der Messehalle bis auf Kniehöhe hinunter. Eine magische Installation von Urs Fischer. Und ein Stressfaktor für das Personal, das angesichts drohenden Körperkontakts (mit dem Fußvolk) vergebens Keep-away-Tiraden abfeuerte.

Die vielgerühmte Miami-Partystimmung? Vielleicht am Strand, in den Cocktailbars oder auch beim Miley-Cyrus-Gig mitsamt tanzendem Penis. Nicht aber im Convention Center, denn bei der Art Basel Miami Beach (4.- 7. 12.), den 267 Galerien aus 31 Ländern geht es ums Geschäft und um nichts anderes. Vielleicht noch darum, ob die 13. Auflage alle bisherigen in den Schatten stellt. Etwa weil mehr Robotbarbies als je zuvor durch die Gänge zuckelten oder diese chirurgisch "optimierten" Sammlerehefrauen mit "alterslosen" Gesichtern und steifem Bewegungsapparat in einen Rekordkaufrausch verfielen. Demnächst hat also das zehnte Picasso-Gemälde, das achte Calder-Mobile oder - etwas intellektueller angelegt - der erste Anselm Kiefer angeliefert zu werden.

Miami Price

Dollars wurden von den ersten Previewminuten an verprasst, in Preisklassen von 3500 Dollar (Tatsache, für Drucke eben) aufwärts bis zur stärksten Sektion von 30.000 bis 350.000 und darüber. Vom Italian Hype profitierte etwa Tornabuoni Art (Florenz, Mailand, Paris), zum Auftakt wanderten zwei Arbeiten Paolo Scheggis über den Messetresen, eine da- von deutlich über dem jüngst im Dorotheum erzielten Weltrekord (Zone Riflesse, 573.300 Euro exkl. Folgerecht), wie Galerist Michele Casamonti stolz erwähnt. Das für Miami typische Millionenstaccato für Trophäen nicht zu vergessen: bei Skarsdat Gallery (New York) etwa für Sigmar Polkes Ich will den Stall ausmisten (1 Mio.) oder Richard Prince' Untitled (Fashion) (Edition 1/1; 1,2 Mio.), bei Thaddaeus Ropac (Salzburg, Paris) das Kiefer-Großformat Oh Halme, ihr Halme, ihr Halme der Nacht (1,1 Mio.).

Bei Gmurzynska (Zürich) wechselten zwei Gemälde Robert Indianas für je 1,7 Millionen Dollar den Besitzer, während Kasimir Malewitschs zuletzt die Ausstellung in der Tate Modern (London) schmückende Dissolution of Form (1917) fürs Erste nur bewundert wurde. 60 Millionen Dollar raunte man sich ehrfürchtig zu.

Hier, wo sich vermögende Sammler und Hedgefonds-Manager zum Saisonausklang das vorläufig letzte Kunstwerk des Jahres zu gönnen geneigt sind, Milliardäre durch die Gänge huschen und man innert fünf Tagen 73.000 Besucher verzeichnete: Dort will man als Marke präsent sein. Im Falle von BMW nicht bloß über VIP-Shuttle-Service, sondern ab 2015 auch über ein neues Förderungsprogramm für Nachwuchskünstler in Kooperation mit Art Basel. "BMW Art Journey" versteht sich als eine Art Stipendium, das ausgewählten Künstlern eine kreative Recherchereise an einen Ort ihrer Wahl finanziert. Für zwei Wochen oder auch zwei Monate. Budgetrahmen? Nun, es kostet, was es kostet, mehr will Thomas Girst (BMW Kulturengagement) nicht verraten. (kron, DER STANDARD, 13./14.12.2014)