Bild nicht mehr verfügbar.

Der berühmte römische Aquädukt von Segovia, rund 100 Kilometer nordwestlich von Madrid. Die römische Zivilisation war vor allem wegen ihres effizienten Wasser- und Getreidemanagments so erfolgreich, meint ein internationales Forscherteam.

Foto: APA/EPA/JUAN MARTIN MISIS

Der Import und Export von "virtuellem Wasser" im Römischen Reich.

Grafik: Dermody et al., Hydrology and Earth System Sciences, 2014

Utrecht - Dass das Römische Imperium im relativ wasserarmen Mittelmeerraum zu einer für Jahrhunderte dominierenden Großmacht emporsteigen konnte, ist in erster Linie dem ausgeklügelten landwirtschaftlichen System und einem umfassenden Handelsnetzwerk für Getreide zu verdanken. Wie eine Gruppe von Hydrologen und Historikern nun in einer aktuellen Studie darlegt, steckte in der mehr oder weniger stabilen Nahrungsmittelsituation aber letztlich auch der Keim für den Untergang des römischen Weltreiches: die Entwicklung führte langfristig zu erheblichem Bevölkerungswachstum und Verstädterung, was das Reich schließlich auch an seine Grenzen stoßen ließ, was die Ernährung der Massen betrifft.

Der römische Einflussbereich erstreckte sich während mehrerer Jahrhunderte über drei Kontinente, am Höhepunkt seiner Macht war das Imperium von über 70 Millionen Menschen bevölkert. Für ein dermaßen großes Reich war die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln insbesondere in den trockenen Gebieten rund um das Mittelmeer keine leichte Aufgabe. Wie das die Römer trotzdem schaffen konnten, haben sich der Umweltwissenschafter Brian Dermody von der Universität von Utrecht gemeinsam mit Hydrologen aus den Niederlanden und Historikern aus den USA genauer angesehen. Die Forscher interessierten sich besonders dafür, wie die Römer mit ihren Wasserressourcen für die Landwirtschaft umgingen.

Parallelen zur modernen Zivilisation

"Wir können viel daraus lernen, wie frühere Gesellschaften mit Veränderungen in ihrer Umwelt zurechtkamen", meint Dermody und zieht dabei durchaus auch Parallelen zwischen dem Römischen Reich und der heutigen Zivilisation. "Beispielsweise mussten die Römer - so wie wir heute auch - ihr Wassermanagment an den steigenden Nahrungsmittelbedarf einer rasch wachsenden und zunehmend in Städten lebende Bevölkerung anpassen.

Dafür konzentrierten sich die Forscher auf die Berechnung, wie viel Wasser insgesamt gebraucht wird, um genug Getreide für die römische Zivilisation bereit zu stellen, und wie dieses Grundnahrungsmittel im Reich effizient verteilt werden konnte. Um ein Kilogramm Korn zu produzieren, sind zwischen 1.000 und 2.000 Liter Wasser von Nöten. Durch diesen Zusammenhang wurde der weit verzweigte Handel mit Getreide zugleich zum Umverteilungsnetzwerk von Wasserbedarf, gleichsam also "virtuelles Wasser".

Dermody und sein Team simulierten auf dieser Basis ein virtuelles Wassernetzwerk der römischen Welt, wo Getreide aus wasserreichen Gegenden in wasserarme Regionen und urbane Zentren transportiert werden musste. Mit Hilfe unter anderem von hydrologischen Modellen gelang es den Wissenschaftern, eine Karte des römischen Reiches zu entwerfen, wo hohe landwirtschaftliche Produktion und dem regionalen Nahrungsmittelbedarf gegenüber gestellt wurde. Zusätzlich rekonstruierten die Forscher die Handelswege und berücksichtigten dabei die Transportkosten im Hinblick auf Faktoren wie Distanz und Art des Beförderungsmittels.

Effizienter Getreidetransport

Dieses virtuelle Wassernetzwerk zeigte schließlich, dass es vor allem die Fähigkeit der Römer war, die unterschiedlichen Landstriche des Mittelmeergebietes durch effiziente Handelswege miteinander zu verbinden, die das Reich zu solcher Größe aufsteigen und gedeihen ließ. "Wenn Getreideüberschüsse in einer Region geringer ausfielen, dann konnten andere Gebiete, deren Kornkammern voller waren, in die Bresche springen und als Nahrungsmittellieferanten herangezogen werden", erklärt Dermody. "Damit wurde das Römische Reich unempfindlicher gegenüber kurzfristige klimatische Veränderungen."

Die Schattenseiten dieses System bildeten letztlich auch die Basis für den Untergang des Imperiums, wie die Forscher im Fachjournal "Hydrology and Earth System Sciences" schreiben. Die effiziente Umverteilung von Getreide sorge für eine gut genährte und damit rasch wachsende Bevölkerung, was auch die Städte unverhältnismäßig anwachsen ließ. Mehr Mägen, die gefüllt werden wollten, bedeuteten aber auch eine höhere Abhängigkeit von den Transporten aus allen Teilen des Reiches. Zusätzlich stießen die fruchtbaren Gebiete allmählich an ihre Grenzen, was die Getreideproduktion betrifft. Das System wurde schließlich immer instabiler und anfälliger für Ernteausfälle.

Auch wir werden zunehmend verwundbarer

"Heute sind wir mit einer Reihe ähnlicher Szenarios konfrontiert. Der 'virtuelle Wasserhandel' ermöglichte seit Beginn der industriellen Revolution ein rapides Bevölkerungswachstum und zunehmende Verstädterung. Mittlerweile ist der Punkt erreicht, wo die Annäherung an die Grenzen der Ressourcen unseres Planeten unsere Zivilisation für Ernteausfälle etwa durch den Klimawandel äußerst verwundbar macht", glaubt Dermody. (tberg, derStandard.at, 4.1.2015)