Das große Glück findet Franz Suess' narkotisierte Hauptfigur im Kleinen.

Foto: Glaskrähe

Wien – Die Zeit der Superhelden ist vorbei, heute werden die Helden des Alltags gefeiert. In Franz Suess’ Zu fallen und weiter geraten die Leben der zwei Hauptfiguren durcheinander. Dabei finden sich weit und breit keine Ex treme und keiner, der zwischen Extremen zu zerreißen droht. Es ist eine Handvoll Normalos, anhand deren Suess über Familie, Freunde, Migration, Arbeit und die Liebe erzählt. Und zwischen den Klagen "Dieses Han -dy kann man nicht erweichen. Kein Pieps" und "Schlaf gut, Handy, und träum süß, von Anrufen, die nie kommen werden" ereignet sich ein lebensverändernder Verkehrsunfall.

Damit folgt der gebürtige Linzer Suess einer Stoffstrategie, der er bereits sein erstes, hauptsächlich autobiografisches Buch 1160, Ottakring verdankt: Alltägliches in seiner Wahlheimat Wien.

Auch wenn da Ironie im Spiel ist ("Diese gatschige Frisur lässt auf ein gatschiges Darunter schließen, falls da überhaupt etwas ist"), bewahrt sie die Texte nicht immer davor, allzu pathetisch ("Moderne Gewebe sind extrem elastisch und strapazierbar – im Gegensatz zu den Leuten, die sie am Körper her umtragen") oder als Gemeinplatz ("Vielleicht bekämpft er ja die Korruption der politischen Kaste hierzulande – er hätte alle Hände voll zu tun") daherzukommen. Klischee oder Kommentar?

Macht die Erzählsprache gegenüber den Mitteln des Absolventen der Kunstuni Linz zuweilen skeptisch, so überzeugen seine Zeichnungen – etwa die Wolke, welche "Da versteht man das eigene Wort vor lauter Abgasen nicht mehr" beinah bis zur Unlesbarkeit überwabert. In ihrer Tendenz zum Unsauberen, zu extremen Perspektiven, gewagten Ausschnitten, Zooms und Matchcuts sind diese Panels an den besten Stellen Lesekino: ein Stummfilm.

Melancholisch, selbstmitleidig, zärtlich und liebenswürdig präsentiert Suess die Endzwanziger/ Jungdreißiger zwischen Freundschaft, Singledasein und Familiengründung. Die tickenden biologischen Uhren vertragen sich mit der Planlosigkeit von abseits der Attribute "vegetarisch" und "bio" orientierungsschwachen Charakteren nicht gut. Man ist verun sichert ob seines Aussehens (im Vergleich zum Kellner im Museumscafé) und seiner Paarungswürdigkeit ("Andere strahlen auch, und heller, als du es jemals kannst"), doch man wurstelt sich durch und arrangiert sich. Ir gendwie – oder: genau so – übersteht man den Fall und macht weiter. (Michael Wurmitzer, DER STANDARD, 12.12.2014)