"WoW" als Vorbild für die Notengebung.

Foto: World of WarCraft

So sieht das XP-basierte Benotungssystem aus.

Foto: Christian Haschek

Das Benotungssystem von Schülern steht immer wieder zur Debatte bei Bildungsreformen. Dass eine Bewertung von 1 bis 5 basierend auf einer Handvoll Schularbeiten, Aufgaben und der Einschätzung des jeweiligen Lehrers in vieler Hinsicht keinen Idealzustand darstellt, ist naheliegend. Während manche Schulsysteme auf eine kleinstufigere Unterteilung der Benotung setzen, kommen andere Systeme wieder ganz ohne traditionelle Benotung aus.

Anstatt das österreichische Benotungsprinzip komplett auf den Kopf zu stellen, hat sich der Wiener Lehrer Christian Haschek vor einigen Jahren an die Arbeit gemacht, eines der größten Probleme dieses Systems zu beseitigen: die Intransparenz. Abseits der Ergebnisse auf Tests haben Schüler oft kaum Anhaltspunkte, wo sie gerade wirklich stehen und was ihnen zu einer besseren Beurteilung fehlt. Diese Ungewissheit kann frustrierend und demotivierend sein und auch das Gefühl erzeugen, der subjektiven Empfindung des Lehrers ausgesetzt zu sein.

Rollenspiel lässt grüßen

Bei Hascheks Anstrengungen herausgekommen ist ein Bewertungskonzept, das sich stark an den Bewertungssystemen von Rollenspielen wie "World of Warcraft" orientiert. "Es gibt XPs (Experience Points), mit denen die Note langsam steigt", erklärt Haschek gegenüber dem GameStandard. "Die Schüler können zu jeder Zeit genau sehen, wie es um ihre Note steht."

Seit drei Jahren setzt er sein vom Unterrichstministerium abgesegnetes XP-basiertes Beurteilungssystem nun ein und hat eigenen Aussagen nach "nur Gutes zu berichten". Dabei komme es darauf an, den Schülern für jeden erteilten und abgezogenen Erfahrungspunkt einen Grund zu geben. Für Aufzeigen und Mitarbeit im Unterricht gibt es beispielsweise fünf XPs, während es für ein Referat 20 XPs und für eine außerordentlich gute Hausaufgabe 35 XPs geben kann.

Transparent

Der Vorteil für beide Seiten (Schüler und Lehrer) ist, dass sie jederzeit sehen können, wie viele XPs zur nächstbesseren oder nächstschlechteren Note fehlen. Transparenz bei diesem Benotungssystem wird durch eine von Haschek kreierte E-Learning-Plattform namens Socialcube gewährleistet, auf die österreichweit sowohl Lehrer als auch Schüler und Eltern zugreifen können.

Laut Haschek handelt es sich dabei derzeit um ein "Proof of Concept", es stehe aber allen Lehrern offen, sein XP-System für ihren Unterricht zu übernehmen.

"High Level Syndrome"

Wie der Wiener in seinem Blog erklärt, habe das System auch potenzielle Schwächen. So gibt es Bedenken, dass Schüler, die bereits eine gute Note erreicht haben, sich auf ihren Lorbeeren ausruhen, weil sie sich bereits sicher fühlen. Doch laut Haschek hat er bisher das Gegenteil beobachten können.

"Diese Schüler waren aktiver, erledigten all ihre Hausaufgaben und halfen sogar auch anderen", so der Lehrer. "Dies könnte auf etwas zurückzuführen sein, das ich 'High Level Syndrome' nenne. Sie sind deutlich selbstsicherer, weil sie geschützt davor sind zu scheitern."

Anpassung erwünscht

Wenngleich Haschek glaubt, dass er damit vielen Lehrern und Schülern ein motivierenderes und transparenteres Benotungssystem geben kann, sei es wohl nicht für jeden Lehrer das richtige Werkzeug. Allein schon deshalb, weil nicht jeder Lehrer Computer für seinen Unterricht nutzt.

Interessierte Kollegen seien aber eingeladen, das XP-System anzuwenden und an ihre Bedürfnisse anzupassen. "Mein System ist noch nicht bereit für den großflächigen Einsatz, aber ich habe vielen Lehrern davon erzählt, und die meisten von ihnen waren sehr begeistert", sagt Haschek. Das System müsse jetzt von Kollegen angepasst werden, die mit der Technologie vertraut sind und die Begeisterung für dieses Projekt teilen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 11.12.2014)