Wien - Chefredakteure gingen 2014 zwischen New York und Klagenfurt im guten Dutzend, und im Dutzend bieten sich auch Gründe für die Wechsel an: Die fordernde Wirtschaftslage in der Medien- wie in der übrigen Welt, der digitale Wandel und jener in der Organisation von Journalismus, der Tod von Medien und von Menschen, die Verlockung neuer Jobs und der Streit mit Eigentümern.

Mehr als 14 Chefredakteurinnen und Chefredakteure, auch Herausgeber verließen ihre Position – ein Überblick von "Liberation" und "Le Monde" über "New York Times", "Focus, "Stern" und "Spiegel" bis zu "Neue Zürcher Zeitung", "Economist" und "Guardian" – und ins kleine Österreich. Die Daten beziehen sich auf das Bekanntwerden des Abgangs, nicht auf das formale Vertragsende. Und: Der Überblick kann keine Vollständigkeit garantieren – wenn Ihnen noch ein Beispiel einfällt: bitte posten!

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Nicolas Demorand (43) tut im Februar seinen Rücktritt als Redaktionschef der linksliberalen, schwer defizitären "Libération" kund – die Redaktion hat ihm da schon viermal das Misstrauen ausgesprochen. Er wolle, sagt er, mit seinem Abgang die Blockade zwischen Redaktion und Eigentümern beenden – nicht gerade medienaffinen Unternehmern, die aus der Zeitungsmarke eine Art Entertainment- und Start-up-Welt basteln wollen.

Foto: REUTERS / GONZALO FUENTES

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Natalie Nougayrède (48) schmeißt im Mai nach 14 Monaten als Chefredakteurin der wirtschaftlich angeschlagenen französischen Qualitätszeitung "Le Monde" hin – im Streit über die Neuorganisation der Redaktion, eine Zusammenführung der Redaktionen von Print und Online.

AP / Christophe Ena

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Jill Abramson (60) wird im Mai nach zweieinhalb Jahren als erste Chefredakteurin der "New York Times" abgelöst. Ihr wird ihr Führungsstil vorgeworfen – und in der Folge dem "NYT"-Verleger, ein solcher Führungsstil wäre einem Mann nicht vorgeworfen worden. Die Journalistin versucht nun ein eigenen Online-Abomedium mit je einer, aber sehr, sehr ausführlichen Story pro Monat.

REUTERS / JASON MICZEK

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Frank Schirrmacher, Herausgeber, Feuilletonchef und Feuerkopf der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", stirbt im Juni überraschend mit 52 an einem Herzinfarkt. Mitherausgeber Günther Nonnenmacher (66) verschiebt seinen geplanten Rückzug auf Ende 2014, als Schirrmachers Nachfolger Jürgen Kaube fix ist.

APA/EPA/FREDRIK VON ERICHSEN

Dominik Wichmann (43) rückte mit Anfang 2013 zum Chefredakteur des "Stern" auf – im August 2014 schon machte Mutter Gruner+Jahr seine Ablöse offiziell: Christian Klug, bisher "Gala"-Chefredakteur, übernimmt die Führung bei der Wochenillustrierten. Nicht die einzige: Der "Stern" eröffnet nur die Serie von Ablösen gerade erst installierter Wochenmagazin-Chefredakteure in Deutschland (und Österreich).

Stern

Jörg Quoos (51) führte seit Anfang 2013 den Mitbewerber aus dem Haus Burda, "Focus", und auch er muss (wenige Tage nach Wichmann) Ende August 2014 seine Ablöse vernehmen. Burda begründet sie mit "unterschiedlicher Auffassung bezüglich der künftigen Ausrichtung des Magazins". Ulrich Reitz kehrt als Chefredakteur nach Engagements bei "Rheinischer Post" und "WAZ" zurück zum "Focus".

Da liegt der amtierende "Spiegel"-Chefredakteur schon im Clinch mit der Redaktion, die auch sein Mehrheitseigentümer ist. Aber der hält sich noch ein wenig länger – wohl auch, weil kein Nachfolger greifbar ist.

Focus

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Wolfgang Büchner (48) kam erst im September 2013 aus der Chefredaktion der dpa an die Spitze des "Spiegel". Seither versuchte er, Print- und Onlineressorts zu vereinen und Print-Ressortchefs zu entmachten. Beim Spiegel, der zu 50,5 Prozent einer Kommanditgesellschaft der Mitarbeiter gehört, eine ganz spezielle Herausforderung. Büchners lang schon erwarteter Rückzug wird am 4. Dezember offiziell, und mit ihm auch gleich jener von Geschäftsführer Ove Saffe.

Da gewinnt der Ablösereigen 2014 noch einmal richtig Tempo.

EPA / MICHAEL KAPPELER

Markus Spillmann (47) gibt die Chefredaktion der "Neuen Zürcher Zeitung" sehr überraschend ab – am verlängerten Wochenende erklärte er noch beim Mediengipfel mit "Wir" Lage und Pläne bei der "NZZ"; am Dienstag tat der "NZZ"-Konzern die Ablöse kund. Nachfolge: noch nicht offiziell geklärt. Eher vage Begründung: Auffassungsunterschiede über die konkrete Umstrukturierung der Redaktion(en). Spillmann war zwölf Jahre in der Chefredaktion, acht davon als Chefredakteur. Er soll im Konzern gehalten werden, ließ dieser verlauten.

NZZ / Christoph Ruckstuhl

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John Micklethwait (52) wechselt nach acht Jahren als Chefredakteur des britischen Wochenmagazins "The Economist" recht überraschend zum Wirtschaftsinfokonzern Bloomberg. Er setzte mit einigem Erfolg auf Meinung und Analyse beim "Economist" und konnte die Auflage in den vergangenen Jahren gegen den Branchentrend merklich steigern. Kundgetan: ebenfalls Dienstag dieser Woche.

Reuters / Carlo Allegri

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Alan Rusbridger (61) geht und bleibt zugleich. Am Mittwoch verkündete der "Guardian", dass Rusbridger nach 20 Jahren als Chefredakteur die Zeitung verlässt. Rusbridger steht für Modernisierung der Zeitung, Digitalisierung ihrer Medien und Internationalisierung. Aber: Er steht künftig dem Scotts Trust vor – dieser nicht gewinnorientierten Stiftung gehört das Medienhaus um den "Guardian".

AP / Alastair Grant

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Österreich trägt einiges zum starken Abgang des Jahres 2014 bei – wiewohl vor allem bei auf Masse angelegten Blättern und zwei sehr kleinen, regionalen Zeitungen:

Karin Strobl (41, Bild oben) verabschiedet sich nach vier Jahren als Chefredakteurin der RMA ("Bezirksblätter"). der Ring von Gratiswochenzeitungen ist immerhin Österreichs reichweitenstärkstes Printmedium. Nebenbei ihr Post-Graduate-Studium "Innovatives Medienmanagement" abzuschließen schien ihr unrealistisch – also studiert sie lieber fertig.

Wolfgang Ainetter (43) schlug sich wacker zwischen Sparmaßnahmen und wechselnden Positionierungswünschen, aber Horst Pirker, neuer Chef der News-Gruppe, brauchte ein personelles Signal für eine höhere Positionierung von "News". Ainetter geht im Dezember, der Abgang war laut Pirker schon lange davor akkordiert.

Eva Weissenberger (42) gab darob die Chefredaktion der "Kleinen Zeitung" Kärnten ab und übernimmt nun die von "News". Unterschrieben hat sie vorige Woche.

Atha Athanasiadis (45) verabschiedete sich ebenfalls vorige Woche nach "zweieinhalb guten Jahren" wieder aus der Chefredaktion von "Österreich" – und macht sich zwischen PR, Marketing, Event und Entertainment selbstständig.

Zwei Chefredakteuren in Österreich kommen 2014 ihre Tageszeitungen abhanden:

Claudia Grabner 13 Monate nach Dienstantritt die defizitäre "Kärntner Tageszeitung" – ihr letzter Verlagseigentümer flüchtete vor drohender Strafverfolgung.

Konnie Aistleitner die "Salzburger Volkszeitung" – das Bundeskanzleramt strich ihr mit einer praktisch rückwirkend eingezogenen Bedingung – eine Mindestzahl von angestellten Journalisten – die Presseförderung. Das Blatt meldete Insolvenz an. (red, derStandard.at, 11.12.2014)

APA / HERBERT NEUBAUER