Integration durch Leistung - das ist seit Sebastian Kurz der Leitsatz unserer Integrationspolitik. Wer etwas leistet, ist willkommen. So weit, so gut. Aber wie sieht die Praxis aus? Dazu drei Beispiele aus jüngster Zeit.

Firuz R.,19 Jahre alt, kommt aus Usbekistan und hat sich allein nach Österreich durchgeschlagen. Er ist ausgebildeter EDV-Buchhalter, der mit Abstand Beste im Deutschkurs, blitzgescheit und hochmotiviert. Eigentlich würde er in ein Sonderprogramm für Hochbegabte gehören. Dennoch: negativer Asylbescheid. In Usbekistan herrscht kein Krieg. Asylgründe nicht ausreichend.

Karam C., 31, aus Afghanistan hat unter den widrigsten Umständen gut Deutsch gelernt und mit gutem Erfolg ein Informatikstudium absolviert. Er spricht außer Deutsch und Englisch Farsi, Paschtu und Arabisch. Aber er sitzt als Asylbewerber seit Jahr und Tag in einem ländlichen Notquartier und darf nicht arbeiten.

Mehmet A., 36, aus der Türkei hat es geschafft. Er ist TU-Absolvent, spricht ausgezeichnet Deutsch, arbeitet in einem Hightech- Betrieb und wurde von seinen Kollegen - fast alle ohne Migrationshintergrund - zum Betriebsrat gewählt. Trotzdem geht er demnächst zurück nach Istanbul. Warum? Seine Verlobte, kein bildungsfernes Kopftuchweiblein, sondern eine erfolgreiche Fernsehmitarbeiterin, die zwar gut Englisch, aber noch nicht Deutsch spricht, stößt bei der Einreise nach Österreich auf so große Schwierigkeiten, dass das Paar seine Zukunft lieber in der Türkei aufbauen will. Leider, sagt Mehmet.

Österreich hat eine alternde Bevölkerung. Es braucht Zuwanderung. Die Wirtschaft braucht qualifizierte Leute. Junge, gescheite, leistungswillige Leute. Genau solche wie Firuz, Karam und Mehmet. Aber: nichts da. In den Augen der meisten Entscheidungsträger sind Fremde offenbar in erster Linie eine Bedrohung und eine Belastung. Wenn's irgend geht, weg mit ihnen. Oder gar nicht hereinlassen. Was sie zu bieten hätten, scheint niemanden zu interessieren.

Sicher, es gibt die Rot-Weiß-Rot-Card, und es gibt die Schlüsselkräfteregelung, die besonders Qualifizierten die Einwanderung ermöglicht. Wer in Österreich schon einen gutbezahlten Job sicher hat - vielleicht eine Berufung an eine Universität - darf kommen. Einen Nobelpreisträger würden wir also gnädigst nehmen. Nur, dass etablierte Spitzenleute sich darum reißen würden, nach Österreich zu gehen, ist ziemlich unwahrscheinlich. Anderswo werden ihnen bessere Bedingungen geboten. Kein Wunder, dass sich die Nachfrage nach Rot-Weiß-Rot-Karten in Grenzen hält.

Aber was ist mit den potenziellen Schlüsselkräften im großen Reservoir der Asylbewerber und Flüchtlinge? Studien zeigen, dass Migranten im Durchschnitt besser ausgebildet sind als Einheimische. Sich legal um Einwanderung zu bemühen ist den meisten von ihnen nicht möglich. Die Bitte um Asyl ist ihre einzige Chance. Und da ist, wenn überhaupt, allenfalls eine unmittelbare Lebensbedrohung relevant. Ob jemand das Zeug zu großen Leistungen hat oder nicht, spielt keine Rolle.

"Integration durch Leistung" und "Willkommenskultur" - höchste Zeit, dass auch das für Asylfragen zuständige Innenministerium anfängt, diese Ziele ernst zu nehmen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, DER STANDARD, 11.12.2014)