An diesem Wochenende gingen in Dresden zehntausend Menschen unter dem Banner "Pegida" auf die Straße. Es ist nicht die erste Demo dieser Art gewesen, und es wird nicht die letzte sein. Die Bewegung nimmt an Fahrt auf, so sehr, dass der deutsche Innenminister sogar eine Allparteienfront gegen sie gefordert hat. Sie ist ein deutschlandweites Phänomen geworden.

Übrigens: "Pegida" heißt "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes".

Die Teilnehmer und Sympathisanten beharren darauf, keine Rassisten und Rechtsextreme zu sein, schon gar nicht gewaltbereit, wenngleich sich auch Neonazis unter die Demonstranten mischten. Deutsche Zeitungsberichte schildern sie als Wutbürger, nationalkonservativ, überzeugt, dass die Politik und die "Mainstream-Medien" nur Lügen verbreiten. Also etwa das, was man auch im österreichischen Internet lesen kann. Der Wortführer der Bewegung ist mehrfach wegen Eigentumsdelikten vorbestraft.

Der große Unterschied zu Österreich ist, dass ein Phänomen, das die deutsche Politik alarmiert, bei uns längst durch die FPÖ Teil des politischen Alltags geworden ist. Deswegen gibt es auch bei uns (noch) keine Demos, wie sie eben "Pegida" veranstaltet.

Was sich da jetzt in Deutschland abzuzeichnen beginnt – nämlich eine autonome Bewegung hin zur Spaltung der Gesellschaft –, versucht die österreichische Bundesregierung mit dem neuen Islamgesetz abzufangen. Die "Muslimische Jugend Österreichs" meint, dieses Gesetz stelle alle Muslime unter "Generalverdacht" und sei verfassungswidrig, weil es nur bei den muslimischen Geistlichen die Finanzierung aus dem Ausland untersage.

Da ist was dran, allerdings ist bei diesem Thema auch eine realistische Betrachtungsweise notwendig: Der größte muslimische Kulturverein ist die türkische ATIB, und die untersteht vollkommen der türkischen Regierung. Einer Regierung, deren höchste Vertreter in immer kürzeren Abständen immer bizarrere gesellschaftspolitische Aussagen machen: Präsident Erdogan bezichtigt den Westen, er wolle die Kinder der Türken (oder Muslime überhaupt) töten. Zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau meint Erdogan, diese sei "wider die Natur". Sein Premierminister Davutoglu legt noch eins drauf: Die Frauenemanzipation sei verantwortlich für eine erhöhte Suizidrate.

Und so weiter. Derlei kommt eins zu eins über die türkischen Behörden und das staatshörige türkische Fernsehen in die türkischen Communitys in Europa. Ganz zu schweigen von den anmaßenden Reden, die Erdogan in Deutschland und Österreich gehalten hat.

Muslimische Regime wie das der Türkei oder auch Saudi-Arabiens haben sehr klar definierte und wenig liberale Vorstellungen davon, wie Muslime in Europa denken und leben sollen. Dem muss man, so gut es geht, entgegentreten, auch mit einem Islamgesetz. Denn wir haben die Moderne, die Liberalität und die Frauenemanzipation nicht mühsam durchgesetzt, damit sie in großen Sektoren unserer Gesellschaft von außen wieder aufgehoben werden. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 10.12.2014)