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Befürworter strenger Kontrollen: Ungarns Premier Viktor Orbán.

Foto: AP / Darko Vojinovic

Es begann mit einem unscheinbaren Posting des rechtspopulistischen Politikers Máté Kocsis. "Drogen sind lebensgefährlich, ihretwegen haben wir Angst um die Kinder und auch um unsere Zukunft", schrieb der Bürgermeister des achte Budapester Stadtbezirks und zugleich Kommunikationsdirektor der ungarischen Regierungspartei Fidesz am vergangenen Freitag auf seiner Facebook-Seite. "Ich denke, dass es Sinn hätte, regelmäßige Drogenkontrollen einzuführen. (...) Insofern wäre der jährliche Drogentest für die Zwölf- bis 18-Jährigen, die gewählten Politiker und die Journalisten verpflichtend."

Harnproben von Aktivisten

Der Vorschlag schlug ein wie eine Bombe. Oppositionelle, Verfassungsrechtler, Drogenexperten und Menschenrechtsaktivisten liefen Sturm. Drogenzwangstests für Minderjährige würden gegen die Elternrechte verstoßen. Sie würden Kinder und Jugendliche traumatisieren. Ärzte verwiesen auf die enormen Kosten für derart flächendeckende Untersuchungen, die dem ohnehin desolaten ungarischen Gesundheitswesen weitere Ressourcen entziehen würden. Aktivisten der linksliberalen Partei Demokratische Koalition (DK) des Exministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány gaben am Montag ihre Harnproben im Bürgermeisteramt von Kocsis ab. "Wieder einmal will der Staat in unser Leben hineinschnüffeln", meinte der DK-Jugendfunktionär Koppány Bendegúz Szarvas.

K.-o.-Argument

Zugleich nahm sich die Fidesz-Parlamentsfraktion des Ansinnens von Kocsis an, der seine politische Laufbahn in der Jugendorganisation der rechtsextremen MIÉP-Partei begann, der Vorgängerin der heutigen Jobbik ("Die Besseren"). Fraktionschef Antal Rogán brachte die Abgeordnetengruppe mit einem K.-o.-Argument auf Linie: "Wer dagegen ist, ist für Drogen." Am Ende billigte die Fraktion den Vorschlag, wenn auch "mit Vorbehalten". Dem neuesten Stand zufolge sollen die Drogentests für Minderjährige nun doch nicht verpflichtend sein, sondern von der Einwilligung der Eltern abhängen, schrieb das Internetportal index.hu am Dienstag. Bis Februar soll jedenfalls ein Gesetzesvorschlag vorliegen.

Indes deuten viele Anzeichen darauf hin, dass die Drogentestidee direkt aus dem Büro des Kommunikationszampano Árpád Habony kommt. Habony ist als unmittelbarer Berater von Ministerpräsident und Fidesz-Obmann Viktor Orbán für die strategische Linie der Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich und damit auch Kocsis vorgesetzt.

Nach den Wahltriumphen dieses Jahres haben Korruptionsskandale Fidesz Umfrage-Einbußen von bis zu zwölf Prozentpunkten beschert. Eine neue Welle selbstbewusster Bürgerproteste kratzt am Nimbus von Orbáns Allmacht. Der Regierungschef soll, wie das Internetportal hvg.hu am Dienstag schrieb, von seinen fürstlich bezahlten Kommunikationsstrategen ziemlich ungehalten verlangt haben, "endlich etwas zu tun".

Mobilisierende Kraft

So sei man auf die Idee verfallen, die Angst vor den Drogen ins Spiel zu bringen und auf deren massenmobilisierende Kraft zu setzen. "In Ungarn haben die Menschen diesbezüglich nur dürftige Kenntnisse, sie fürchten sich vor den Drogenkonsumenten, von denen man allgemein glaubt, dass sie sich das Zeug in die Venen spritzen, dass sie physisch am Sand sind und für ihre Trips stehlen und rauben", zitierte hvg.hu einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter aus dem Fidesz-Kommunikationsstab. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 10.12.2014)