Donaukanal, Ecke Praterstraße: Nicht der schlechteste Platz, um die taghellen Stunden dieser Tage auszudehnen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Einen Hauch zu lang gebratener Schweinebauch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es geht neuerdings wagemutig zu auf der Speisekarte von Wiens Panorama-Luxusrestaurant auf dem Dach des "Stephansdom"-Hotels - das am Beginn der Praterstraße liegt. Hervé Pronzato, der Neue am Herd, hält sich keinen Moment mit Regionalversprechen auf, wie sie den Kollegen rundum so leicht über die Lippen kommen. Stattdessen drängt sich der Eindruck auf, dass der via Griechenland aus Frankreich hier gelandete Koch nur ja keine Weltgegend in seiner Küche unzitiert lassen will: Ceviche-Dressing hier, Wakame-Algen da, dazwischen sollte es ein wenig Taro, aber auch weißer Trüffel sein.

Der schwarze Knoblauch aus Korea, die Chimichurri aus Argentinien und der wilde Spargel aus - ja, woher nochmal? - muss sich Mitte Dezember aber auch noch ausgehen. Wer weiß, wie winzig die Küche hier oben im Vergleich zur schier endlosen Zahl an Sitzplätzen ist, der macht sich nicht zu Unrecht Sorgen, wie sich der Husarenritt ausgehen soll.

Etwas zum Raunzen

Dafür schlägt sich der Mann achtbar, auch wenn man bei diesen Preisen natürlich etwas zum Raunzen findet. Dass die Speisen den Tisch mehrfach nur lauwarm erreichen etwa, oder dass vieles einen Hauch zu lang gebraten wird, vom Königskrabbenbein zum Schweinebauch (im Bild) über die Ente bis zur - um 39 Euro großzügig dimensionierten - Schnitte vom Wagyu-Beiried. Die zum Tunfisch-Tataki angekündigten "marinierten Gemüse" stellen sich als lascher Blattsalat heraus, Jakobsmuscheln mit Karfiol sind Dutzendware ohne Corail, wie sie vielleicht irgendwo unten serviert werden - hier oben will man sich über derlei Seafood-Pöbel erhaben wissen.

Dennoch gelingt es der Küche, einen gepflegten Eindruck zu hinterlassen. Manches wie die Variation aus geschmorten, gecremten und knapp marinierten Karotten zur Ente gerät sogar auf eine Art raffiniert, die sich nicht gleich wieder in diffusem Wohlgefallen auflöst. Dass man sich hier dem Himmel nah fühlen darf, liegt aber nicht an der Küche und nur zum Teil an der Aussicht, sondern an der Weinkarte, die Sommelier Steve Breitzke seit einigen Jahren pflegt.

Wein, du allein

Was der leise Mann aus Deutschland an naturnahen Schätzen von kleinen, großen Weingütern zusammengetragen hat, ist wohl die aufregendste Liste an Köstlichkeiten, die man sich als wacher Zeitgenosse wünschen darf. Allein Champagner, von Agrapart über Emanuel Brochet und Lallier bis zu Jacques Selosse, bietet einen Rundumschlag von rarer Herrlichkeit.

Aus dem international gesuchten, hierorts noch übergangenen Jura werden, nur ein Beispiel, neun Gewächse angeboten - und keineswegs nur "Vins jaunes", für die die Grenzregion zwischen Frankreich und der Schweiz berühmt ist. Es lohnt, sich von dieser Karte auf eine Reise in hierorts weniger bekannte Gefilde mitnehmen zu lassen, auch wenn das, was aus Österreich hier versammelt ist, um nichts weniger verlockend ist.

Dass mittags kein weinkundiges Personal vor Ort ist, kann es aber nicht sein - gerade an einem nominell internationalen Rückzugsort darf man sich nicht von lokaler Ignoranz leiten lassen. Der germanischen Unsitte, ein feines Mittagessen so ganz ohne Wein verkommen zu lassen, muss nüchtern und entschieden entgegengetreten werden! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 12.12.2014)