Ian McKellen ist noch einmal als Gandalf beim "Hobbit"-Finale auf Mittelerde zugegen. Ob es zu weiteren Tolkien-Verfilmungen kommt, ist noch nicht entschieden.

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Wien - Mit einer Explosion beginnen und dann langsam steigern - nach diesem alten Hollywoodrezept funktioniert auch der abschließende Teil der Hobbit-Trilogie. Ohne irgendeine Einleitung oder einen Rückblick wird der Zuschauer direkt hineingeworfen in den feurigen Feldzug des Drachen Smaug gegen die Menschen von Seestadt. Die Schlacht der fünf Heere setzt also genau da an, wo Smaugs Einöde aufgehört hat. Doch das ist nur die Ouvertüre zu einem Schlachtenepos, das wenig Zeit zum Luftholen lässt.

Je nach Sichtweise kann man Peter Jacksons sechste Verfilmung einer Vorlage von J. R. R. Tolkien als Verrat an einem der beliebtesten Kinderbücher der letzten hundert Jahre sehen oder als eine der imposantesten Mischungen aus Fantasy- und Actionkino, die die Filmgeschichte hervorgebracht hat. Der Angriff des Drachen, die Vertreibung des Nekromanten aus den Ruinen der Festung Dol Guldur, die Schlacht der fünf Heere am Einsamen Berg, all das kommt auch in Tolkiens Hobbit vor - allerdings auf nicht einmal fünfzig schmalen Seiten. Um daraus ein zweieinhalbstündiges Epos zu machen, haben Jackson und seine Ko-Autoren Philippa Boyens, Fran Walsh und Guillermo del Toro eine Menge an eigener Fantasie mobilisieren müssen - die einmal mehr, einmal minder im Geiste Tolkiens sein dürfte. Anders formuliert: Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere ist wohl das teuerste Stück Fanfiction aller Zeiten.

Wer Jackson noch aus seiner Zeit als Regisseur grandios ekeliger Splatter-Komödien wie Braindead (1991) schätzt, wird an vielen Szenen seine Freude haben. Dass für den Neuseeländer die Grenzen zwischen Fantasy und Horror fließend sind, hat er schon mit seinen früheren Tolkien-Filmen bewiesen. Mit der Schlacht der fünf Heere verschiebt er die Gewichtung aber noch einmal in Richtung des blutigsten aller Genres. Der lange Showdown zwischen Gut und Böse auf einem nebligen Eisplateau ist dafür das beste Beispiel: Jacksons Fantasie, wie und wo man überall Schwerter in einen Körper rammen kann, scheint ebenso unendlich wie seine Freude an immer neuartigen, grotesk missgebildeten Unholden.

Komik und Gemetzel

Im allgemeinen Gemetzel inszeniert er aber auch immer wieder Momente handfester Komik - nicht unbedingt eine Stärke der literarischen Vorlage. Wenn Zwergenkönig Dáin II. auf seinem Kampfschwein den Orkhorden entgegenreitet oder tumbe Kamikazetrolls sich die Köpfe an den Verteidigungsmauern der Stadt Thal einschlagen, wird das Kriegspathos Tolkiens dankenswerterweise untergraben. Demgegenüber steht der Kitsch breit ausgewalzter Sterbeszenen, die für Atempausen im gnadenlosen Takt der Kampfhandlungen sorgen.

Aktuellen Vorstellungen von Political Correctness kommt Jackson entgegen, indem er der kampferprobten Elbin Tauriel weiterhin eine wichtige Rolle zuweist, und auch Elbenkönigin Galadriel darf einen entscheidenden Beitrag zum Sieg des Guten beitragen. Näher an Tolkien ist die - natürlich gut auf unsere aktuelle Börsencrash-Realität beziehbare - Warnung vor der Korrumpierbarkeit durch Geld bzw. Gold, die der Film vielleicht noch prononcierter hervorhebt als das Buch.

Nachdem Thorin Eichenschild mit Hilfe von Bilbo Beutlin die Regentschaft im alten Zwergenkönigreich angetreten hat, wird er von der "Drachenkrankheit" infiziert. Seine immensen Schätze, die Dagobert Ducks Goldspeicher wie eine Wechselgeldkasse aussehen lassen, rauben ihm den Verstand. Selbst aus Verbündeten werden in seiner Wahrnehmung plötzlich Feinde, die nichts anderes wollen, als seine Schätze an sich zu reißen. Ging es also im Herr der Ringe um die Verführbarkeit durch Macht, so ist der Hobbit eine Warnung vor dem grenzenlosen Streben nach Reichtum.

Man darf gespannt sein, ob die Erben Tolkiens diesem Streben widerstehen werden. Die Rechte am Silmarillion, Tolkiens dritter großer Epensammlung, liegen noch bei ihnen. Wenn sie diese verkaufen würden, stünden genügend Geschichten bereit für mindestens drei weitere Filmtrilogien. (Sven von Reden, DER STANDARD, 10.12.2014)