München - Es war ein kleines Erdbeben mit Wolfsburg und München als Epizentren, das sich am Dienstag in der Automobilbranche ausbreitete: Der Chef des Volkswagenkonzerns, Martin Winterkorn, wird mit 1. Oktober 2015 die Verantwortung für die Kernmarke VW Herbert Diess übertragen und sich auf die Gesamtleitung des Konzerns beschränken. Auch bei der Konkurrenz ist Bewegung in der Chefetage. BMW-Chef Norbert Reithofer gibt seinen Posten bei dem Autobauer im kommenden Jahr vorzeitig ab. Bei der Hauptversammlung im Mai soll der bisherige Produktionsvorstand Harald Krüger zum neuen Vorstandschef bestellt werden, wie BMW am Dienstag in München mitteilte.

Reithofer soll dann neuer Aufsichtsratschef werden. Der bisherige Chef-Kontrolleur Joachim Milberg lege sein Mandat mit Ende der Hauptversammlung nieder. Neuer Entwicklungschef wird der BMW-Manager Klaus Fröhlich. Der bisherige Amtsinhaber Herbert Diess wechselt im nächsten Jahr zu VW.

Reithofer steht seit 2006 an der BMW-Spitze und hat den Konzern seither zu neuen Bestmarken geführt: Im laufenden Jahr will BMW weltweit erstmals mehr als zwei Millionen Autos verkaufen. Sein Vertrag sollte eigentlich noch bis zum Jahr 2016 laufen.

Seit Wochen wurde aber über sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Vorstand spekuliert. Im November war bekanntgeworden, dass Reithofer im kommenden Jahr in den Siemens-Aufsichtsrat einziehen will.

"Jungspund" mit Sporen

Bei den Mitarbeitern hat sich der künftige BMW -Chef Harald Krüger bereits einen Namen gemacht: Als junger Personalvorstand des Münchner Autobauers ließ er bereits vor einigen Jahren die Arbeitsplätze der Bandarbeiter umgestalten, damit ihnen körperliche Tätigkeiten leichter fallen. Physiotherapeuten wurden eingestellt, in der Kantine wird seitdem gesünder und cholesterinärmer gekocht. BMW sorgt so - wie andere Autobauer auch - unter dem Druck des Fachkräftemangels dafür, dass ältere Beschäftigte länger arbeiten können. Denn mehr als die Hälfte der Belegschaften in der Branche ist älter als 50 Jahre. Nun rückt Krüger an die Spitze des weiß-blauen Konzerns und wird damit der derzeit jüngste Vorstandschef eines großen Automobilherstellers.

Die Sporen für seinen steilen Aufstieg hat sich der 49-jährige Maschinenbauingenieur in den vergangenen knapp zwei Jahren als Produktionsvorstand verdient. In dieser Zeit hat BMW die Abhängigkeit vom schwächelnden europäischen Heimatmarkt verringert und die Präsenz in wachsenden Ländern wie China und den USA ausgebaut. Beim Aufbau des US-Werks in Spartanburg war Krüger bereits kurz nach seinem Einstieg bei BMW Anfang der 1990er Jahre als junger Projektingenieur beteiligt. Es folgten Stationen in München und Großbritannien, bevor Krüger 2008 als Personalvorstand in das Führungsgremium aufrückte. Ab 2012 war er dort für die Marken Mini und Rolls-Royce sowie das Motorradgeschäft verantwortlich, ab 2013 dann für die konzernweite Produktion.

Keine Ablenkung

Das Produktionsressort war schon für andere Manager Sprungbrett an die Unternehmensspitze: Sowohl Joachim Milberg als auch Norbert Reithofer leiteten zunächst diese größte Sparte des Konzerns, bevor sie nach ganz oben befördert wurden. Deshalb wurde auch Krüger schon einige Zeit als Kronprinz für Reithofer gehandelt, den er nun im Mai 2015 beerben soll. Reithofer soll dann vorzeitig in den Aufsichtsrat wechseln und dort den Stuhl von Milberg als Vorsitzender des Gremiums übernehmen.

Mitarbeiter beschreiben den in Freiburg im Breisgau geborenen Krüger als im Umgang verbindlich, "extrem durchsetzungsstark" und effizient. Das sind Attribute, wie sie jedem Automanager unterstellt werden, der ein Unternehmen führen will. Bei Krüger scheint diese Eigenschaft indes besonders ausgeprägt: "Sie haben eine Besprechung mit ihm über fünf Themen. Nach 20 Minuten sind Sie wieder draußen und haben noch einen Auftrag obendrauf bekommen", schildert ein enger Mitarbeiter seine Erfahrungen. Den Ausgleich zu diesem Arbeitstempo holt sich der Vater von drei Kindern beim Joggen.

Die Effizienz, die Krüger der Produktion vorgibt, befolgt er auch bei sich selbst. In seinem Büro gibt es nur einen Schreibtisch und einen Laptop. "Da liegt nichts rum", sagt ein Mitarbeiter. Keine Papiere, es gibt keine Aktenschränke, nur einen Besprechungstisch. Nichts soll ablenken. Sein Faible für die Gesundheit am Arbeitsplatz ist indes geblieben: Stuhl und Schreibtisch sind ergonomisch optimiert. (Reuters, 9.12.2014)