Nein, der Wald ist nicht gestorben. Auch die Zerstörung der letzten Naturlandschaften ist ausgeblieben. Alles in allem haben wir heute bessere und verlässlichere Lebensmittel denn je. Die Umweltpolitik hat in den 30 Jahren seit Hainburg also doch einige Erfolge gehabt.

Man müsste aber genauer hinschauen, um die Erfolge richtig einschätzen zu können. Zwar haben wir heute mehr Wald als vor drei Jahrzehnten - und die Bäume leiden auch kaum noch unter dem seinerzeit beklagten "sauren Regen". Wohl aber leiden sie unter veränderten Klimabedingungen, vor allem langen Trockenphasen, sinkenden Grundwasserspiegeln und im Zusammenhang damit unter verstärktem Schädlingsdruck. Dazu kommt, dass die biologische Vielfalt in Österreichs Forsten katastrophal ist - gerade in Ostösterreich gibt es laut Naturschutzbericht keinen Waldlebensraumtyp, der in gutem Zustand wäre.

Die österreichischen Nationalparks sind zwar eine Erfolgsgeschichte - dass überhaupt welche eingerichtet wurden, ist nicht zuletzt den Naturschützern zu verdanken, die im Winter 1984 die Hainburger Au besetzt haben. Aber längst sind nicht alle für die Nationalparks vorgesehenen Flächen in die jeweiligen Parks integriert worden. Und außerhalb der Nationalparks werden munter Großprojekte betrieben, die so sinnlos und so umweltbelastend sind wie vor 30 Jahren das Kraftwerksprojekt Hainburg (und das damals auch noch auf der Agenda stehende Atomkraftwerk Zwentendorf).

Da geht es weiterhin um Kraftwerke (etwa an der Mur oder an der Schwarzen Sulm), aber auch um Straßenprojekte wie das der Spange Seestadt Aspern, für das schlanke 228 Millionen Euro veranschlagt sind - oder immer noch um wahnwitzige Tourismusvorhaben in unseren schneearm gewordenen Alpen.

Wahr ist: Entgegen den Beteuerungen der vergangenen Jahrzehnte hat die Umweltpolitik eben kein grundsätzliches Umdenken in Politik und Gesellschaft bewirkt. Da wurde der Klimawandel erst geleugnet und dann hingenommen - bekämpft wird er (wie das Abrutschen Österreichs in internationalen Rankings belegt) nicht wirklich. Da wurde großsprecherisch verkündet, Österreich sei ein Umweltmusterland. Werbewirksam wurde das ganze Land zum "Feinkostladen Europas" herausgeputzt. Aber aktuelle Umweltskandale beweisen, dass grundlegende Prinzipien des vorsorgenden Umweltschutzes systematisch missachtet werden.

Im flächendeckenden Naturschutz sieht es nicht viel besser aus: Viel zu lange hat man sich da darauf ausgeruht, dass es gelungen ist, die Wasserqualität der österreichischen Seen seit den frühen Umweltskandalen der Sechziger- und Siebzigerjahre entscheidend zu verbessern. Darüber wurde vergessen, dass die Fließgewässer in teilweise erbärmlichem Zustand sind und die Lebensräume für Wildtiere und Vögel immer enger werden. Nein: Umwelt- und Naturschutz sind keine Angelegenheiten, die als erledigt abgehakt werden können.

Im öffentlichen Bewusstsein ist verankert, dass die Grünen ohnehin in den Parlamenten sitzen und sich wohl irgendwie um die Sachen kümmern werden. Sie sind aber nicht in der Bundesregierung - und wo sie eine entsprechende Zuständigkeit haben, können sie sich kaum durchsetzen. Überraschenderweise ist es immer wieder die als Umweltkiller verdächtigte EU, die Österreich dann den Weg zu höheren Schutzzielen weisen muss.(Conrad Seidl, DER STANDARD, 9.12.2014)