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Mehr oder weniger vernunftbegabte Lebewesen richten sich mit Sicherheit nicht nach dem Mondkalender. Er gibt ja auch vor, in welchen Mondphasen man putzen muss, um streifenfreien Glanz zu erhalten.

Foto: Patrick Pleul/dpa

Das Ende des Jahres naht. Und in den Buchläden findet die jährliche Kalenderschwemme statt. Es gibt Kalender mit Katzen, Kalender mit klugen Sprüchen, Kalender mit dummen Sprüchen, Kalender mit Sportlern, Kalender mit nackten Menschen – und ganz viele Kalender, die uns erklären wollen, wie der Mond unser Leben beeinflusst.

Seit Johanna Paungger und Thomas Poppe im Jahr 1991 ihr Buch "Vom richtigen Zeitpunkt" veröffentlicht haben, sind die "Mondkalender" zu einem Hit auf dem Büchermarkt und einem festen Bestandteil der Esoterik-Welt geworden. Wenn man richtig leben will, so lautet die Grundthese, dann muss man auf den Mond achten. Unsere klugen Vorfahren wussten das, aber wir dummen modernen Menschen haben es leider vergessen. Aber zum Glück haben all die Verfasser von Mondkalendern scheinbar Großeltern, die das "alte Wissen vom Mond" noch haben und konnten es so in die heutige Zeit hinüber retten. Und es ist höchst erstaunlich, was unsere Ahnen da alles gewusst haben: Der Mond bestimmt, wann die Felder bestellt und das Gemüse im Garten geerntet werden soll. Der Mond sagt uns aber auch, wann der richtige Zeitpunkt ist, um Blumen zu gießen, Haare zu schneiden oder die Fenster zu putzen. Streifenfreien Glanz gibt es, glaubt man den Autoren der Mondkalender, nur dann, wenn man den Dreck während der korrekten Mondphase weg wischt.

Immer derselbe Mond

Aus astronomischer Sicht kommt das ein wenig überraschend: Obwohl der Mond in seinen verschiedenen Phasen am Himmel anders aussieht, ist es doch immer der selbe Mond. Der Vollmond ist kein anderer Himmelskörper als der Halbmond oder der Neumond. Zu jedem Zeitpunkt ist eine Hälfte des Mondes vom Sonnenlicht beschienen und die andere nicht. Das einzige was sich im Laufe eines Monats ändert, ist unser Blickwinkel und der Anteil der beleuchteten Mondfläche die wir von der Erde aus sehen können. Auch das Licht des Mondes ist nicht außergewöhnlich oder gar mysteriös (Und wenn das Licht des Vollmonds nicht gerade zufällig durch ein vorhangloses Fenster direkt auf das Bett fällt, dann beeinflusst er auch unseren Schlaf nicht. Diese weit verbreitete Vorstellung ist ein Resultat selektiver Wahrnehmung und verschwindet ganz von selbst, wenn man ein lückenloses und ehrliches Schlaftagebuch führt). Es ist ganz normales Sonnenlicht, also das gleiche Licht, das wir untertags mehr als ausreichend zu sehen bekommen. Wenn es um den "richtigen Zeitpunkt" geht, scheint es aber keine Rolle zu spielen was die Sonne macht – da hat man sich nach dem Mond zu richten!

Und es ist erstaunlich, wie viele ganz alltäglichen Dinge man falsch machen kann, wenn man dabei nicht auf die Mondphase achtet! In den Mondkalendern findet man Hinweise, wann man die Fenster zum Lüften öffnen soll, wann die Mundhygiene zu erfolgen hat, wann ein Solariumbesuch angebracht ist, wann Marmelade gekocht werden soll oder wann die Kleidung gewaschen werden muss. Letzteres habe ich persönlich ja immer dann gemacht, wenn sie schmutzig war – aber sie einfach irgendwann zu waschen, wäre dem alten Wissen unserer Vorfahren zufolge ein großer Fehler...

Einfluss auf die Mundhygiene

Die Geschichte von den angeblichen Bauernweisheiten, die das alte Wissen über den Mond bewahrt haben, erweist sich bei näherer Betrachtung aber als genau so irreal wie der Einfluss des Monds auf die Mundhygiene. Der Kulturwissenschaftler Helmut Groschwitz von der Universität Regensburg stellte in seiner Arbeit "Mondzeiten. Zu Genese und Praxis moderner Mondkalender" (Waxmann: Münster 2008) fest: "Das in den heutigen Mondkalendern vermittelte "Wissen" ist kein uraltes, empirisches Bauernwissen wie in den Kalendern zur Legitimation der Regeln behauptet wird. Vielmehr sind es die Versatzstücke ehemals elitekultureller Welterklärungssysteme, die mehrmals aus dem jeweiligen Zusammenhang genommen und neu kontextualisiert wurden. Das Interpretament der "lebendigen Bauernweisheit" entstand im 19. Jahrhundert und wird im 20. Jahrhundert als Etikettierung höchst moderner Erscheinungen verwendet.".

Und bei genauerer Betrachtung sind die Mondkalender tatsächlich nichts anderes als Medien zur Verbreitung der gleichen esoterischen Ideen die sich auch überall sonst ebenfalls finden lässt. In einem der aktuellen Ratgeber von Paungger und Pope findet man zum Beispiel neben den üblichen Ausführungen zu Astrologie und den Sternzeichen auch Erklärungen über Erdstrahlen, und Wünschelruten. Bei gesundheitlichen Problemen wird sogar die Einnahme von homöopathischen Globuli empfohlen (aber natürlich nur während der korrekten Mondphase). Und genau hier wird der Mondkalender als esoterischer Ratgeber bedenklich. Wenn man beim Blumen gießen oder Schuhe putzen irgendwelchen Fantasieregeln folgt, dann bekommt man höchstens vertrocknete Blumen und schmutzige Schuhe. Wenn man aber – wie in so gut wie jedem Mondkalender zu lesen ist – auch bei Arzt- und vor allem Operationsterminen auf die Mondphase achten soll, wird es gefährlich. Ratschläge der Art "Verlegen sie geplante Operationen in den abnehmenden Mond, um Narben, Infektionen und Blutungen zu vermeiden. Verzichten sie auf Eingriffe an dem Körperteil, in dessen Zeichen der Mond gerade steht." (GU Mondkalender 2013) können im schlimmsten Fall zum Tod führen oder doch zumindest gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen.

Scheinbare Sicherheit

Die Mondkalender bieten nur eine scheinbare Sicherheit. Es mag für manche Menschen angenehm sein, einen "kosmischen Plan" für die vielen langweiligen und alltäglichen Verrichtungen präsentiert zu bekommen, an den sie sich halten können. Aber wenn der Drang, alles "zum richtigen Zeitpunkt" zu machen zu tief in das eigene Leben eingreift, dann ist man irgendwann nicht mehr in der Lage, selbst Entscheidungen zu treffen und macht auch die eigene Gesundheit von einem willkürlichen Kalender abhängig.

Für den Weihnachtstag stellt die Astrologin Helga Kuhn im Mondkalender von "Woman" übrigens fest, dass es sich um einen guten Tag für Familientreffen handelt. Außerdem soll es ein günstiger Tag für die Körperpflege sein. Wir können einander also alle guten Gewissens und frisch geduscht "Frohe Weihnachten" wünschen! (Florian Freistetter, derStandard.at, 22.12.2014)