"Das bin ich - Zeki Müren": Die Ausstellung im Kulturzentrum der YapiKredi Bank auf der Istiklal-Straße in Istanbul hat großen Zulauf. Auch bald 20 Jahre nach seinem Tod wird der Sänger Zeki Müren in der Türkei sehr verehrt.

Foto: Markus Bernath

"Ein Künstler kann auf der Bühne alles machen", sagte Zeki Müren. Hier ist er 1972 in all seiner Pracht.

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Das Plakat ist schon eine Botschaft. "Das bin ich – Zeki Müren", sechs Stockwerke hoch an der Ecke der Istiklal-Straße, der am meisten auf- und abspazierten Straße von hier bis Tokio. Das ist er also, Zeki Müren, die singende Kitschbombe, Fleisch gewordenes Sentiment, in Gold gewogen, eine Mischung aus David Bowie und Flash Gordon. Alles ist absolut, keiner hat es je besser vorgetragen: Liebe, Hoffnung, Enttäuschung multipliziert bis in alle Ewigkeit. "Ah buşarkıların gözü kor olsun", verdammt seien diese Lieder (oder genauer: Die Augen dieser Lieder sollen blind werden. Oder im weiteren Sinn: Dein Gesicht, deine Hände wären aus meinem Sinn verschwunden / Hätte es doch diese Lieder nicht gegeben).

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Vom Gebäude der Yapi-Kredi Bank in Istanbul, gegenüber dem Galatasaray-Gymnasium, lächelt ein junger Zeki Müren aus den 1960er-Jahren, mit blonder Mähne und ein wenig hintergründig. Die Ausstellung im Kulturzentrum der Bank an der Istiklal-Straße ist jeden Tag voll; allen wollen sie wieder die Bilder aus dem Zeki-Müren-Leben sehen, die Plateauschuhe, Glitzerkostüme und Riesensonnenbrillen. Zeki Müren, der vielleicht bedeutendste Sänger der zeitgenössischen türkischen klassischen Musik (türk sanat müziği), war offensichtlich schwul und ist bis heute immens populär in der Türkei, bei Konservativen wie Liberalen, Alten wie Jungen, im ehemals kemalistisch-bourgeoisen Städtequadrat Istanbul, Ankara, Izmir und Bodrum und im Grund auch im Rest Anatoliens. Wie das zusammengeht? Liebe zum großen Gefühl und beharrliches Ausklammern der Sexualität.

Yigit Karaahmet kritisierte eben das in einem Kommentar für die Tageszeitung Taraf: "Die Zeki Müren-Ausstellung lässt ein seit Jahren verbreitetes Klischee wieder vorbeiziehen und zeigt uns den Zeki Müren, den Heteros sehen wollen." Denn für die Heterosexuellen der 60er-Jahre und denen von 2014 sei Zeki Müren eigentlich dasselbe, schrieb Karaahmet. "Alle lieben ihn sehr, beneiden seine Art, aber wollen ihn geschlechtslos wie eine Ken-Puppe mit schwellendem blonden Haar betrachten." Schweigsam bleiben, bedeute aber, seinen Beitrag zur Homophobie zu leisten, schloss der Kritiker.

Andeutungen zur "großen Liebe"

Müren selbst hat diese Wegschauhaltung unterstützt. Der 1931 in Bursa geborene Sänger hielt sein Privatleben verborgen und sprach nur andeutungsweise von einer "großen Liebe", die er hatte. Müren, exzentrisch zweifellos, dann aber auch scheu, wird als ausgesucht höflicher Mensch beschrieben. Bülent Ersoy, ein anderer populärer Sänger, der sich Anfang der 1980er-Jahre einer Geschlechtsumwandlung unterzog, fand er eher ordinär.

"Ein Künstler kann auf der Bühne alles machen", schrieb Zeki Müren 1970 in der Revue Hafta Sonu (Wochenende) über seine Rüschenkleider und Pharaonen-Kronen. Die Gladiatoren im alten Rom hätten doch auch Mini getragen, verteidigte er sich - "aber ich möchte meine Neuheiten nicht auf der Straße tragen", so beruhigte er das Publikum. „Das bin ich – Zeki Müren“ ist also eine recht vieldeutige Ansage: Ein Spiegelbild, das nicht stimmt, aber jeder verehrt; überbordender Kitsch und musikalische Perfektion; und schließlich auch ein privates Einverständnis zwischen Müren und seinem Hetero-Publikum, nicht nach sexuellen Neigungen zu fragen.

Nach dem Militärputsch 1980 bekam Müren für einige Zeit Auftrittsverbot, produzierte aber weiter erfolgreiche Alben wie 1989 Zirvedeki Şarkılar ("Verdammt seien diese Lieder" gehört dazu), bis er sich in seinem Haus in Bodrum weitgehend von der Öffentlichkeit zurückzog und 1996 starb – bei Studioaufnahmen für eine Sendung über sein Leben.

nysarac