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Tausende Kreuze auf einem Soldatenfriedhof nahe Verdun.
Foto: REUTERS/Charles Platiau

Es ist eine erdrückende Monumentalität: Zehntausende Kreuze und Grabplatten stehen in Reih und Glied in Verdun, davor Blumen. Jeder Grabstein steht für einen Toten. Wie viele bei dieser Schlacht im Ersten Weltkrieg zwischen Februar und Dezember 1916 ihr Leben verloren haben, wird sich nie exakt klären lassen: Historiker gehen von 700.000, 800.000 Menschen aus. Verdun gilt heute als Synonym für das Abschlachten von Menschenmassen in einem Krieg. Karl Kraus nannte Verdun den "schauerlichsten Schauplatz des blutigen Deliriums".

Die Landschaft ringsum wellt sich, sie ist mit tiefen Kratern und Gräben übersät. Es ragt nur eine Bunkeranlage heraus. Im Innern des Fort de Douaumont ist es glitschig und feucht. Man kann sich nicht vorstellen, wie in dieser Anlage auf engstem Raum hunderte Soldaten monatelang ausharren konnten - 400.000 Granaten sollen das Fort im Ersten Weltkrieg getroffen haben, allein 100.000 Franzosen sollen bei dem Versuch der Rückeroberung der Festung umgekommen sein.

Verdun in Lothringen ist eine französische Gedenkstätte. Mit einer einzigen Ausnahme: Peter Freundl. Er ist der erste deutsche Soldat, dessen Name Anfang 2014 in Stein gemeißelt wurde. Einer der Aufpasser im Beinhaus, wo 130.000 nicht identifizierte Männer liegen, kann - ohne Nachschau zu halten - die Stelle im Deckengewölbe zeigen, wo unter Abertausenden die Plakette mit den Lebensdaten des Bayern eingefügt ist. Weil es Proteste von französischen Veteranenverbänden gegen die Aufnahme eines Deutschen in diese Gedenkstätte gab, wurde gleichzeitig eine Tafel für einen Franzosen angebracht.

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Verdun als Synonym für die Schrecken des Krieges: der Toten wird noch immer getrennt gedacht
Foto: Reuters/Tessier

Nur einige Kilometer von Verdun entfernt wurde im kleinen Ort Samogneux erst im vergangenen Juni ein Gedenkstein für Soldaten aus Österreich-Ungarn enthüllt, die an der Westfront starben. Gegen die Aufstellung des rund zwei Meter hohen Steins hatten ebenfalls französische Veteranenverbände protestiert. So steht dieser nun auf einem Fleckchen Wiese zwischen einer Straße und einem Parkplatz - und ist fast nicht zu finden.

Hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und 30 Jahre nach dem historischen Händedruck von François Mitterrand und Helmut Kohl in Verdun wird noch immer getrennt der Toten gedacht, die Gräben sind auch 2014 nicht zugeschüttet.

Einige hundert Kilometer weiter in der Normandie ist das nicht anders: bombastische Grabanlagen der Amerikaner, vergleichsweise bescheidene Erinnerungsstätten für die deutschen Soldaten wie der Friedhof in La Combe. Die Briten und Kanadier unterhalten wiederum eigene Gedenkstätten, um an die Landung der Alliierten 1944 und die Befreiung von Nazi-Deutschland zu erinnern.

Zum siebzigsten Jahrestag des D-Day am 6. 6. 1944 wurden neue Museen eröffnet oder bestehende Gedenkstätten am Utah, Oklahoma, Gold, Juno und Sword Beach erneuert und ausgebaut. 154.000 Soldaten landeten an diesem historischen Tag auf dem rund 80 Kilometer langen Küstenabschnitt. Es dauerte bis 21. August 1944, bis die Normandie durch die Alliierten erobert war. Drei Tage später waren die Truppen in Paris.

Dreißig Museen in der Region beschäftigen sich mit dem Ereignis: am lohnendsten ist der Besuch des Musée du Débarquement am Utah Beach, des Cinéma Arromanches, wo auf neun Leinwänden in 360 Grad der D-Day zum plastisch nachvollziehbaren Ereignis wird, und des Mémorial außerhalb von Caen, das nicht nur an das Kriegsgeschehen erinnert: Hier wird auch auf die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs, auf die Verträge von Versailles und St. Germain, eingegangen. Der zeitliche Bogen wird bis zur Zeit des Kalten Krieges und den Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer gespannt.

Ausblicke von Bunkeranlagen

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Der Point du Hoc in der Normandie.
Foto: AP Photo/David Vincent

In der Normandie trifft man immer wieder unvermittelt auf Zeugnisse aus der Vergangenheit. In der Nähe von Grandcamp-Maisy gehörte Pointe du Hoc einst zu den strategisch wichtigsten Punkten der von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs errichteten Verteidigungslinie auf 35 Meter hohen Klippen. Bei Arromanches irritieren auf dem breiten goldfarbenen Sandstrand riesige rostige Gestelle. Bei Ebbe tauchen gewaltige Blöcke aus den Wellen auf: Es sind die Fundamente des schwimmenden Hafens Mulberry, den die Alliierten im Juni 1944 im Meer verankerten. Von dort wurden binnen weniger Tage 2,5 Millionen Soldaten und eine halbe Million Fahrzeuge an Land geschafft.

Entlang der Küste tauchen oft unvermittelt Teile des Atlantikwalls auf, die trutzig den Jahrzehnten getrotzt haben. Wer die majestätischen Kalkklippen von Étretat erklimmen will, muss an den unübersehbaren Betonresten der Verteidigungsanlagen im Hafen vorbei: Nicht nur Gräber sind Mahnmale. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 6.12.2014)