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Cousins und Barkumpels: Tom Hardy und James Gandolfini in dem Mafia- und Milieudrama "The Drop".

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Wien - Als Barkeeper muss man nicht viel selber reden, sondern dient als Anlaufstelle für die Geschichten von anderen. Das kommt Bob Saginowski, der diesen Job an einem Tresen in Brooklyn nachgeht, entgegen. Nicht aber, weil er besonders neugierig wäre, sondern deshalb, weil es sich um einen verschlossenen, in sich gekehrten Menschen handelt. Bob Saginowski hat meist einen Ausdruck auf dem Gesicht, den man als leer bezeichnen muss. Ob diese Leere das widerspiegelt, was sich in seinem Inneren tut, oder ob sie nur etwas anderes verbirgt, ist eine der Fragen, um die es in The Drop geht.

The Drop basiert auf einer Kurzgeschichte von Dennis Lehane, dem Autor, der die Vorlagen zu Filmen wie Mystic River, Gone, Baby, Gone und Shutter Island geschrieben hat. Die stets in oder im Umkreis von Boston angesiedelten Erzählungen gehen über Kriminalgeschichten hinaus, weil sie zugleich Milieubeschreibungen sind, Erkundungen historisch gewachsener Stadtteile und ihrer jeweiligen Bevölkerungsgruppen. Auch The Drop spielt ursprünglich in Boston, wurde für das US-Debüt des Belgiers Michaël R. Roskam (Bullhead) aber in den New Yorker Stadtteil verlegt - durchaus behutsam, denn Brooklyn ist hier noch ohne die Hipster, die erst die Gentrifizierung brachte.

Wiewohl weniger episch angelegt, ist auch The Drop mehr Milieudrama als Mafiathriller, mehr an den Personen, ihren Gefühlshaushalten interessiert als an Suspense und Aktion. Der Erzählrhythmus ist nachgerade langsam, angepasst an den ein wenig behäbigen Bob Saginowski. Langweilig wird es aber nie, was nicht zuletzt daran liegt, dass dieser von Tom Hardy verkörpert wird. Der Brite, zuletzt mit No Turning Back im Kino, vermag selbst einer solchen zurückhaltenden Figur wirkmächtige Nuancen zu verleihen.

Übermütige Ideen

Als Saginowskis Cousin Marv, der die Bar betreibt, ist ein anderer großer Charismatiker, James Gandolfini, in seinem letzten Part zu sehen. Die beiden sind ein gegensätzliches, einander stützendes Paar, das die Zweckentfremdung des Lokals als Sammelstation für Mafiagelder - daher der Titel The Drop - zähneknirschend hinnimmt. Das Viertel wird von tschetschenischen Zuwanderern beherrscht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich aus dieser Gegenüberstellung ein Konflikt formt. Marvs Leichtsinn hängt eng mit seinem Gefühl zusammen, stets den Kürzeren zu ziehen.

Roskams geduldige Regie widmet sich allerdings auch anderen Fronten. Da ist die Nachbarin Saginowskis (Noomi Rapace), ein zugelaufener Hund, den dieser bei sich aufnimmt, und die Beziehung, die aus dieser Dreierkonstellation erwächst. Lehanes Drehbuch schnürt alle diese Fäden unmerklich immer enger zusammen, und auch wenn nicht jede Wendung schlüssig erscheint, lässt man sich auf das daraus erwachsende Drama gerne ein. Auf sympathisch altmodische Weise bleibt es in Augenhöhe mit den Menschen und ihren Unvollkommenheiten, und erzählt davon, dass zwischen Gut und Böse noch viel Platz für anderes bleibt. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 6.12.2014)