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"Katastrophale" PPP-Projekte wie der Flughafen Berlin lassen öffentliche Bauherren nicht gut dastehen.

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Stadtplaner Gerhard Joksch: "Warum stellt sich die Stadt Wien nicht der Diskussion darüber, ob dieses Prozedere überhaupt goutiert wird?"

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STANDARD: PPP steht für Public-Private-Partnership. Ist das immer eine Partnerschaft? Oder manchmal auch ein Tauziehen darum, wer der Stärkere ist?

Gerhard Joksch: Lassen Sie es mich so sagen: Wenn man für 15 oder 20 Jahre verbandelt sein muss, weil der Vertrag so lange läuft, ist das eine verdammt harte Partnerschaft.

STANDARD: Welchen Stellenwert hat PPP in Deutschland?

Joksch: In Deutschland sagen wir ÖPP, also öffentlich-private Partnerschaft, dazu. Und es gibt mittlerweile sogar ein eigenes ÖPP-Gesetz. Das ändert aber nichts daran, dass ÖPP in Deutschland inzwischen zu einer kleinen Nische geschrumpft ist. ÖPP hat sich nicht so entwickelt, wie die Investoren und die Förderer im öffentlichen Raum sich das gewünscht hatten. Die Prognosen vor einigen Jahren hatten vorhergesagt, dass 15 Prozent aller öffentlichen Projekte künftig als ÖPP ausgeführt würden. Diesen Wert haben wir niemals erreicht.

STANDARD: Sondern?

Joksch: Tatsächlich liegt der aktuelle Marktanteil bei zwei Prozent, Tendenz stagnierend und bisweilen sinkend.

STANDARD: Worauf führen Sie das zurück?

Joksch: Ganz generell ist die Bereitschaft zu öffentlichen Investitionen in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. Hinzu kommt, dass die Zinsen für Kommunalkredite in Deutschland auf unter zwei Prozent gesunken sind, und das bedeutet: Wenn eine Kommune schon investiert, dann lieber mittels Kredit und nicht mit einem privaten Partner. Das Kommunaldarlehen ist um 0,5 bis ein Prozent billiger als das Geld eines Privaten. Außerdem sind im kommunalen Bereich viele Projekte durch öffentliche und Nutzerkritik ins Zwielicht geraten.

STANDARD: Und wo genau sind diese zwei Prozent PPP heute beheimatet?

Joksch: Eher in der Bundes- und Länderverwaltung und seltener bei den Städten. Im Hochbau kommt PPP immer wieder bei Behördenneubauten und zum Beispiel bei Kasernensanierungen zum Einsatz. Vor allem aber werden Straßenbau und Autobahnsanierungen über PPP abgewickelt, wobei die Qualität hier oft zu wünschen übrig lässt. Ein Artikel in der Zeit hat sich vor einiger Zeit sehr intensiv mit der mangelnden PPP-Ausführung auf Deutschlands Autobahnen befasst.

STANDARD: Was passiert mit PPP-Verträgen, wenn Bauten eines Tages nicht mehr als das benötigt werden, als was sie ursprünglich geplant wurden? Beispielsweise wenn eine Schule zum Büro, wenn ein Kindergarten zum Gemeinschaftszentrum umgebaut wird?

Joksch: Ja, das ist die eigentliche große Katastrophe! PPP-Verträge laufen oft über 20, 25 Jahre, denn alles andere wäre für den Privaten nicht wirtschaftlich. Doch die Wahrheit ist, dass niemand mit Garantie sagen kann, ob diese Nutzung an diesem Ort in diesem Gebäude in 20 oder 25 Jahren überhaupt noch gebraucht wird.

STANDARD: Welche Ausstiegsszenarien gibt es?

Joksch: Nur kostspielige. Sie können vorzeitig aussteigen, oder der PPP-Vertrag wird angepasst und entsprechend Ihren Wünschen geändert, doch stets gibt es dann entsprechende finanzielle Nachforderungen. Das kann sehr teuer werden.

STANDARD: Besteht denn nicht die Gefahr, sich mittels PPP am Vergaberecht für öffentliche Bauten vorbeizuschummeln?

Joksch: An sich orientiert sich PPP am öffentlichen Vergaberecht, nämlich am Verhandlungsverfahren. So weit das Gesetz und die Theorie. Aber es stimmt schon. Ich höre immer wieder von PPP-Projekten, die am Wettbewerb um öffentliche Bauaufträge vorbeimanövriert werden können. Aber mit PPP und Verhandlungsverfahren habe ich sowieso ein riesengroßes Problem.

STANDARD: Warum?

Joksch: Es gibt in Deutschland 300.000 Bauunternehmen. Eine Untersuchung vor einigen Jahren hat jedoch ergeben, dass nur 300 Firmen davon groß genug sind, um gemäß den Anforderungen auch wirklich PPP-fähig zu sein. Das ist ein Promille! Ist das etwa ein fairer Wettbewerb? Das ist meines Erachtens in erster Linie eine Kampfansage an die KMU-Struktur in Mitteleuropa.

STANDARD: Bei welchen Bauaufgaben erachten Sie PPP denn als sinnvoll?

Joksch: Wenn eine Gemeinde jedes Jahr eine Schule oder einen Kindergarten errichtet, dann sollte die Expertise dringend bei der Kommune und ihrer Bauverwaltung bleiben. Aber wenn Sie alle paar Jahrzehnte ein Rathaus, ein Krankenhaus, ein Fußballstadion oder irgendeine Sonderimmobilie errichtet, die außergewöhnlich viel Expertise bedarf, dann erachte ich es für sinnvoll, einen privaten Partner mit ins Boot zu holen. Bei den alltäglichen Bauaufgaben jedoch sage ich: niemals!

STANDARD: In Wien wurden bereits einige Schulbauten als PPP-Modell realisiert. Und in Zukunft soll der PPP-Anteil im Wiener Schulbau noch massiv steigen. Was halten Sie davon?

Joksch: Vollkommen ungeeignet! Ich verstoße gegen alle Rahmenbedingungen, die sinnvoll wären. Ich bin mir sicher, dass die Wiener Architekten, Behörden und Baufirmen in der Lage sind, guten und hochwertigen Schulbau zu errichten. Woher, frage ich mich, kommt da die PPP-Idee? Hier werden die Daseinsvorsorge und der öffentliche Bildungsauftrag aus der Hand gegeben, hier putzt sich die öffentliche Hand an der Privatwirtschaft ab. Warum stellt sich die Stadt Wien nicht der öffentlichen Diskussion darüber, ob dieses Prozedere überhaupt goutiert wird? Mitbestimmung bei der Planung ist etwas zutiefst Kommunales und Demokratisches. Wird das durch ein geheim ablaufendes und intransparentes Verfahren ersetzt ... Das ist nicht gut! Auf Dauer ist die Abwesenheit von öffentlicher Kontrolle von Übel.

STANDARD: Was tun?

Joksch: Das Wichtigste wäre der Wiederaufbau, das Wiedererstarken der öffentlichen Bauverwaltung. In den letzten Jahren nämlich wurden die öffentlichen Bauverwaltungen regelrecht ausgehungert. Man hat verlernt, selbst die kleinsten Bauaufgaben eigenhändig zu realisieren. Diese Fehlentwicklung muss dringend repariert werden.

STANDARD: Wie sieht der nächste konkrete Schritt aus?

Joksch: Wir brauchen dringend Musterprojekte für öffentliches Bauen, die vorzeigen, wie fähig öffentliche Bauherren sind. Die letzten großen PPP-Projekte in Deutschland waren eher eine Katastrophe: Elbphilharmonie in Hamburg, Flughafen BER in Berlin, die Autobahnerneuerung zwischen Bremen und Hamburg und so weiter. All diesen Projekten muss man jetzt Best-Practice-Projekte für gutes öffentliches Bauen gegenüberstellen. Es ist höchste Zeit. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 6.12.2014)