Sprechender Schimpanse in grellbuntem Raum: "Even Pricks" (2013).

Foto: Atkins, Galerie Bortolozzi Berlin, Cabinet London

Wien - "Ed Atkins' Filme und Texte werden Sie gehörig in die Mangel nehmen," meinte der britische Guardian über die Schau A Tumor (in English) in der Tate Britain 2011 und kürte Atkins zum Künstler der Woche. Und tatsächlich ging es ans Eingemachte: Körper in Auflösung, Körperflüssigkeiten, Krankheit und Tod. Alles in digital generierten Bildwelten.

Von diesem Body-Horror lassen jene im Mumok-Kino präsentierten späteren Arbeiten nurmehr wenig spüren. Als Teil einer Serie zu digitalen Filmästhetiken (Kurator: Christian Höller) ist Atkins eine kleine Personale gewidmet.

Nicht um die Gegenüberstellung von Virtuellem und Realem geht es dem Briten, auch nicht darum, durch digitale Bilderzeugung der Realität so nah wie möglich zu kommen. Avatare und Simulationen sollen und müssen als solche erkennbar bleiben, da sie nur so einer eigenen Gesetzmäßigkeit folgen können, die letztendlich doch wieder als Spiegel der Realität funktioniert. Dabei bedient sich Atkins unter anderem der Technologien wissenschaftlicher Bilderzeugung oder jener von Videospielgrafiken.

Der Ton, oft Taktgeber schneller Schnittfolgen, generiert sich häufig aus "Betriebsgeräuschen" wie Mausklicks, dazwischen tönen Ansätze kreischender Gitarrensoli, Synthesizer und manchmal gar Popsongs: grellbunte kitschige Räume mit sprechenden Schimpansen (Even Pricks, 2013) im Wechsel mit Schriftzügen, die an Blockbuster-Titelsequenzen gemahnen. Unterschiedliche Referenzsysteme stehen gleichberechtigt nebeneinander.

Dies zeugt einerseits von den Aneignungsgewohnheiten einer Generation, die mit "neuen" Medien und computeranimierten Bildern aufgewachsen ist und nicht mehr nach der Entstehung der Bilder fragt. Andererseits widmet sich Atkins durchaus selbstreflexiv und kritisch dem Status quo dieser Entwicklung.

In der Installation No-One Is More 'Work' Than Me etwa, stellte Atkins seinem Avatar-Protagonisten auf der Leinwand einen realen Schauspieler bei, um das Verschmelzen beider Charaktere und ihren Realitätsgehalt zu überprüfen. Schließlich ging es ihm dabei auch um den Begriff immaterieller Arbeit in einem ganz buchstäblichen Sinn: Was bedeutet Arbeit für einen Avatar? Ist dieses Arbeitsleben ebenso von Entfremdung und Depression gekennzeichnet wie das seines menschlichen Surrogats?

In Warm, Warm, Warm Spring Mouths (2013) scheint der Avatar wiederum zu arbeiten: Gefangen hinter dem Bildschirm, mal in einem undefinierbaren Raum, dann wieder am Meeresboden, rezitiert er ein Gedicht, immer und immer wieder, mit wechselnder Mimik, während sich sein Haar verselbständigt. Den Sprechtext ergänzen Untertitel und Voice-over, die von Isolation und Einsamkeit künden, dabei menschliche Existenzängste andeuten. Diese Melancholie des Avatars ist auch in Happy Birthday!! (2014) spürbar: Vergebens versucht er, sich an bestimmte Ereignisse zu erinnern. Mehr als ein paar Punkte auf einer unbestimmten Timeline, kann er nicht erfassen, während irgendwo Elvis "Always on My Mind" singt. (Claudia Slanar, Spezial, DER STANDARD, 6./7./8.12.2014)