Mit Sorgfalt gecastet wurden auch die Vögel für das Filmprojekt: Verweise auf Hitchcock und andere gefiederte Unheilsbringer.

Foto: Constanze Ruhm / Emilien Awada

Der Film ist noch nicht einmal fertig, schon wird er öffentlich reflektiert: Zwar ist ein Trailer Teil von Constanze Ruhms und Emilien Awadas Präsentation, dennoch verstehen die beiden ihre Ausstellung Panoramis Paramount Paranormal weniger als eine Vorschau, denn als eine Art Storyboard, an dem noch gearbeitet wird. Ausgangspunkt der weitverzweigten Geschichte des noch fertigzustellenden Films ist das 1913 von der französischen Gesellschaft Pathé gegründete Filmstudio von St. Maurice nahe Paris. 1971 fiel dieses nach mehreren Besitzerwechseln (u. a. die amerikanische Produktionsfirma Paramount) einem Großbrand zum Opfer, und bald danach wurde auf demselben Gelände der Wohnkomplex Résidence Le Panoramis erbaut.

In der Galerie Engholm gibt eine ausführliche Synopsis Einblick in die Geschichte des Ortes, der im Übrigen bereits Gegenstand einer früheren Arbeit Ruhms war: La difficulté d'une perspective: A Life of Renewal (2013) heißt die ebenfalls präsentierte Fotoserie. Ruhm hat dafür die Originalschauplätze des Films Une femme est une femme (1961) von Jean-Luc Godard aufgesucht, um dem Blickwinkel des Regisseurs die Perspektive der Hauptdarstellerin gegenüberzustellen. Während der Recherchen zu dem Projekt stieß sie auf die Filmstudios von St. Maurice, wo Godard einen der Hauptschauplätze von Une femme est une femme exakt rekonstruieren ließ - ein reales Apartment im Pariser Viertel Porte Saint-Denis.

Neben diesem spezifischen Produktionsort spielt im aktuellen Projekt Panoramis Paramount Paranormal die Verwischung von Film und Realität, Illusion und Wirklichkeit ebenfalls eine wichtige Rolle: Neben dem eingangs erwähnten Trailer geben in der Galerie sogenannte Production-Stills und eine 25-minütige Vorversion des Films Einblicke in das Projekt. Die groß aufgezogenen Stills zeigen zum einen dokumentarische Aufnahmen der Wohnhausanlage Le Panoramis; zum anderen sieht man Aufnahmen von einem Casting sowie Bilder exotischer Vögel, die keck vor der Kamera posieren.

Casting für ein Gespenst

Schließlich erfährt man, dass die Tiere genauso sorgfältig gecastet wurden wie die Schauspielerinnen, die in einer Film-im-Film-Szene quasi noch einmal für eine Rolle vorsprechen. Gesucht werden Darstellerinnen für die Rolle eines Gespenstes, womit man sich - laut besagter Synopsis - auf den Film Juliette ou la clé des songes (1952) von Marcel Carné und die Publikation Marx' Gespenster von Jacques Derrida bezieht.

Das klingt zunächst leicht überzogen, allerdings muss man die Referenzen nicht detailliert kennen, damit man die Logik der vielschichtigen Verweisketten kapiert: So bringen Ruhm und Awada mit den Castingszenen etwa ganz bewusst das Machtverhältnis zwischen dem Regisseur und den Darstellerinnen ins Spiel. Außerdem wird mit den Aufnahmen in den Studios von St. Maurice ein Blick hinter die Kulissen gewährt, den man von der Geschichte des französischen Kinos auch gar nicht erst zu trennen versucht: Aufgrund des schlechten Wetters hat etwa Regisseur Marcel Carné in St. Maurice ein ganzes Waldstück nachbauen lassen. Stellvertreten durch Fotografien erzählt diese Kulisse nun von der Künstlichkeit der Filmbilder, aber ebenso davon, welche Relevanz das Authentische für Filmemacher wie Jean-Luc Godard oder Marcel Carné besitzt.

Was der fertige Film zu diesem sehenswerten "Puzzle" noch beitragen kann, bleibt vorerst noch abzuwarten. Schließlich ist es gerade die offene Form jenseits einer linearen Erzählung, durch die hier eine aufschlussreiche Verbindung zwischen Vorgängen vor und hinter den Kulissen des Kinos gelingt. (Christa Benzer, Album, DER STANDARD, 6./7./8.12.2014)